Dienstag, 12. Dezember 2017

Märchen mit Moral

Es war einmal ein Königssohn, der war sehr hübsch und reich und klug und wünschte sich nichts sehnlicher als ein ebenso hübsches, reiches und kluges Weib sein Eigen nennen zu dürfen. Also ging er zu seinem Vater dem König, der ebenso gütig wie streng war und bat ihn eines freien zu dürfen. Der König gab ihm zur Antwort: "Gewiss mein Sohn, ich werde alles veranlassen."
Nach wenigen Tagen ließ nun der König den gesamten Hofstaat im Thronsaal versammeln, den Sohn zu seiner Rechten, und es wurden zwei junge Prinzessinnen vor den Thron geführt, zwischen denen der Prinz wählen durfte, eine schöne und eine häßliche. Beide konnte der Prinz kaum ansehen. Denn die Schönheit der ersten war so groß, dass es ihm war als blicke er direkt in die Sonne. Er musste seine Augen erst an so viel Schönheit gewöhnen. Die Häßliche hingegen war so häßlich daß er den Wunsch verspürte blind zu sein wannimmer er sie ansah. Sie war ausserdem nicht nur hässlich, sondern sie stank auch, war an Aussatz erkrankt, war dumm und bösartig und gab von Zeit zu Zeit schrille Tierlaute von sich.
Der König sagte: "Nun wähle frei mein Sohn. Wisse aber dass beide Mädchen verflucht sind. Die eine, nun, sieh selbst - die andere aber lässt jeden Mann der sie berührt zu eben solch einer Kreatur werden, wie jener neben ihr."
Sprach der Königssohn: "Vater, wenn es sich so verhält, will ich lieber gar keine Frau haben."
Darauf der König: "Dann soll es so sein. Du wirst weder eine von diesen, noch irgendein anderes Weib jemals ehelichen. Es war übrigens klug von dir damit zu mir zu gehen und dir nicht etwa auf eigene Faust ein Mädel zu suchen. Denn wisse, ich habe Augen und Ohren noch in den hintersten Einsiedeleien des Reiches und es kann darin nichts geschehen ohne dass ich davon augenblicklich Kenntnis erlangte. Würdest du dich jemals irgendeinem Weibe ohne meine Erlaubnis nähern, so hätte man dich ergriffen und für immer eingekerkert bevor du sie auch nur berührt hättest."

So gab der Königssohn sein Ansinnen auf und sagte zu sich: "Ich hätte es auch schlimmer antreffen können. Wie viele Männer in unserem Reiche haben ebenso wie ich keine Frau, sind aber noch dazu arm und auch sonst ohne jegliche Vorzüge. Ich kann mir selbst genügen."

Bald darauf aber kamen Truppen des Nachbarkönigreiches und belagerten das Schloß. Wie sie auf den Zinnen des höchsten Turmes das Reich in Flammen aufgehen sahen fragte der Prinz seinen Vater den König, was dem denn voran gegangen sei. "Die beiden Prinzeßinnen die ich dir zuführte waren die Töchter dieses Königs. Nun rächt er deine hochmütige Zurückweisung seines Angebotes. Du allein bist schuld an unserem Los."

So wurde denn das ganze Königreich unterworfen, der Prinz und sein Vater wurden zu Galeerensklaven gemacht, und wenn sie nicht gestorben sind, dann rudern sie noch heute.