Freitag, 14. April 2017

Drei Typen

Der Mensch ist zwar ein potentiell vernunftbegabtes Wesen. Jedoch ihm eine Vernünftigkeit als maßgebliche Grundeigenschaft zu attestieren schießt weit über das Ziel hinaus. Wenn wir von einem Homo Sapiens sprechen wollen, sollten wir zuvor noch einen Begriff für die dann offensichtlich daneben exsistierende zweite Menschenrasse finden, bei welcher von Sapientia keine Spur festzustellen ist.

Warum schreibe ich so viel gegen die Vernunft und die Vernünftigkeit an? Wer mich kennt weiß, dass ich weit eher ein Kopf- als ein Gefühlsmensch bin. Meine Instinktschwäche zwingt mich geradezu, auf den Verstand auszuweichen. Auch würde ich niemals leugnen, dass ein Großteil aller Alltagsschwierigkeiten und Konflikte durch den Einsatz der Vernunft vermieden, wenn nicht gar gelöst werden könnten.
Welcher denkende Mensch kennt nicht diesen Anflug von Melancholie angesichts einer Welt von Halbwilden, die ihn innerlich seufzen lässt: "Warum können die Menschen nur nicht vernünftig sein?".
Oder wer kennt nicht diesen schiller´schen Typus des ewigen Pädagogen, der unentwegt bemüht ist, die Menschen aufzuklären und zur Tugend zu erziehen, sei es durch Worte oder durch gutes
Vorbild?
Wer kann seine Zustimmung und Bewunderung versagen, wenn er die feingeistigen Gedankengänge der Philosophen hört, die von Tugend und Besonnenheit handeln?

Ja, es ist ganz wahr und recht, dass diese Welt eine bessere wäre - zumindest eine sehr viel weniger problematische, wenn die Menschen mehr ihrem Verstand folgen würden, als ihren dunklen Trieben und Leidenschaften. Und doch: Ist nun das Irrationale am Menschen selber das Problem? Es gibt viel Schlechtes in dieser Welt, wie Umweltzerstörung und Massenvernichtungswaffen, das ohne einen massiven Verstandeseinsatz niemals zustande gekommen wäre. Die abendländische Verstandeskultur war es, die, vom antiaufklärerischen Islam einmal abgesehen, alle größeren Probleme verursacht hat, an denen diese Welt heute krankt. Der Idealist würde mir nun entgegnen, Atombomben und Raubtierkapitalismus seien zwar Produkte höchster Verstandesleistungen, jedoch keineswegs vernünftig im universalen, ethischen Sinne. Und genau darin liegt der grosse, fatale Irrtum dieser wohlmeinenden Menschheitserzieher, dass sie immerzu in Universalismen denken. Je nach persönlicher Prägung begreifen sie entweder "die" Vernunft als ein kosmisches Prinzip, welches genau wie für Mathematik und Physik auch für das menschliche Zusammenleben objektive, universale Gesetze kennt, oder aber sie vermuten hinter der Schöpfung einen göttlichen Plan (welcher im Endergebnis mit der abstrakten Vernunft gleichgesetzt werden kann), der den Menschen in eindeutiger Weise vorgibt, wie sie sich verhalten sollen und wie nicht. Die Missachtung solcher postulierter Universalgesetze ziehe demnach negative Folgen für den Delinquenten genau so zwingend nach sich, wie für das Kind der sprichwörtliche Griff nach der Herdplatte - auch wenn sie aus Unwissenheit geschieht. Ein schlechter Mensch kann demnach nicht gleichzeitig auch ein glücklicher sein, da unsere Psyche gemäß der göttlichen/vernünftigen kosmischen Ordnung so geartet sei, dass sie letzten Endes auf ein ethisch korrektes, vernünftiges Handeln (man beachte die Gleichsetzung von Ethik und Vernunft) hin ausgelegt ist und Zuwiderhandlung durch Depression und Neurosen bestrafe, Tugend hingegen durch Zufriedenheit und inneren Frieden (Ataraxie) belohne.
In diesem Modell einer vermeintlich logischen Weltordnung erscheinen nun die Entscheidungsfähigkeit des Menschen, sowie vor allem sein unterbewusst-Triebhaftes als Anomalien, welcher einer ständigen Korrektur durch den Verstand oder das Gewissen (letzteres auch wiederum als vernünftige Instanz begriffen) bedürfe. Die Triebe und Emotionen hätten wir nach diesem Modell mit den unverständigen Säugetieren gemein. Während aber dieselbe Vorsehung (ob göttlich oder nicht), die dem Universum seine Logik gab und uns die Fähigkeit, diese zu erkennen, es so eingerichtet hat, dass den Tieren ihre Instinkte stets den richtigen Weg weisen (gemäß der Art des Daseins, zu dem sie bestimmt sind), konfligiert nun beim Menschen seine animalische Natur mit dem Verstande. Dieser Konflikt sei nur durch eine Überwindung und Einhegung der Triebe durch den Verstand zu bereinigen. Und er müsse auch bereinigt werden, um endlich auch den Ausnahmefall Mensch in die ansonsten perfekte kosmische Ordnung mit einzubinden. Christlich interpretiert wäre dann unser Verstand die göttliche, das Animalisch-Unterbewusste hingegen die irdisch-fleischliche gefallene Natur - die Erbsünde also. Der ewige Kampf des Menschen mit seinem tierischen Erbe wird zu einem geistlichen Kampf gegen die Sünde. Und an dem Tag, da alle Leidenschaften endlich ausgemerzt sind, da ist das Königreich Gottes endlich zu den Menschen gekommen. Das ist sozusagen der grosse Auftrag des Menschen, letztlich der Sinn seines Daseins: die Triebnatur zu überkommen und ganz und gar rational-vergeistigt, damit göttlich und somit unsterblich zu werden.

Was hier zum Ausdruck kommt soll keineswegs eine Zusammenfassung oder Kritik "des" Christentumes sein, sondern vielmehr die Aufschlüsselung einer Ideologie, die meiner Beobachtung nach sehr viele junge Christen (leider gerade oft die besten) unbewusst in sich tragen und die sie (abermals meist unbewusst) mit christlichem Glauben verwechseln. Es spielt auch keine Rolle, ob der einzelne Leser sich selber in allen Aspekten dieser Schilderung wieder erkennt, oder ob nun die Bibel ins Spiel gebracht wird oder nicht. Mir geht es um eine gewisse Denkstruktur, um eine Grundidee. Ob diese nun christlich verbrämt wird, ändert an ihrem areligiösen Kern gewiß nichts.

Denn das Problem mit dieser Ideologie, die auf den ersten Blick so schön rund und schlüssig daher kommt (wie übrigens alle ausgefeilten Ideologien), dass sie grundlegend falsch ist, egal wie viele richtige Einzelaspekte sie enthalten mag.
Jede Ideologie gründet nämlich auf gewissen nicht hinterfragten Postulaten, aus denen dann logische Konsequenzen gezogen werden. Der Unterschied zwischen moderaten (und darum fataler weise harmloser erscheinenden) und radikal-fundamentalistischen Ideologien besteht im Grunde lediglich in der Konsequenz, mit der man bereit ist, das Modell zu Ende zu denken.
Im Falle der Vernunftsideologie (im weitesten Sinne meine ich die Aufklärung) ist das Problem, dass sie von völlig falschen Voraussetzungen ausgeht, sowohl was die Natur des Menschen, als auch die der Gesamtwirklichkeit angeht. Diese Grundannahmen aber, egal wie rational und konsequent man sie auch in ein System bringen mag, sie sind selber keine Verstandesleistungen, sondern sie werden aus dem Unterbewussten heraus getroffen - ja müssen sogar daraus kommen. Wir haben keine andere Instanz, die diese Funktion erfüllen könnte. Dies ist nun einmal die Arbeitsweise des menschlichen Bewusstseins. Der Verstand kann letztlich nur mit den Voraussetzungen arbeiten, die das Unterbewusste ihm liefert. Eine vorurteilslose Betrachtung der Welt ist schlechterdings nicht möglich. Ich kann unendlich viel über Gott und die letzten Dinge nachdenken, sprechen und schreiben. Ob es aber diesen Gegenstand meiner Betrachtung wirklich gibt, diese Entscheidung nimmt mir mein Verstand niemals ab. Hier ist mein persönliches Herzensbekenntnis gefordert.
Wer mir nun aber mit Argumenten gegen die Existenz Gottes begegnet, dem kann ich nur sagen: "Du willst, dass es keinen Gott gibt. Du hast ein Interesse daran, dass es sich so verhält. Am Anfang steht deine Entscheidung gegen den Glauben. Erst im zweiten Schritt liefert dir dein Verstand als Lakai deines Unbewussten die vermeintlichen Beweise für deine eigennützige Grundannahme."
Der Verstand ist die Hure der verborgenen Triebe.

Da es müßig und relativ nutzlos ist, über das Wesen der letzten Dinge zu spekulieren, möchte ich mich hier nur dem des Menschen widmen. Dieses ergibt sich nämlich ganz primär daraus, dass er Interessen besitzt. Je nach seinem evolutionären Stand werden diese Interessen sich nun entweder mehr auf die dinglich-horizontale, oder auf die spirituell-vertikale Ebene beziehen. Da auch die höher entwickelten Individuen noch ihre fleischliche Natur mit den Halbaffen gemein haben, ist also von irdischen Interessen kein Mensch frei, wohl aber gibt es viele, die niemals auf den Gedanken kämen, nach etwas anderem zu streben. Dem Hochstehenden Individuum entspricht es nun aber, in dem Maße, wie seine materiellen Interessen befriedigt sind, sich geistig-spirituellen Gegenständen zuzuwenden. Er strebt dann nicht mehr nach einem vollen Magen, sondern nach Glückseligkeit, Erkenntnis, Ehre, Ruhm - und natürlich nach Tugend.
Glück, so spricht der Philosoph, sei das, "wonach alle streben". Einen grösseren Unfug habe ich selten vernommen. Denn damit macht er die absurde Voraussetzung, dass alle letztlich nach demselben strebten. Sicher bin ich zu hart mit meinem Urteil. Man müsste mit Glück einfach nur, sagen wir "die Erfüllung des Daseinszweckes" definieren, schon passt die Aussage. Aber auch das nur, wenn man davon ausgeht, dass jedes Lebewesen einen solchen besitzt. Wenn ich jetzt einen Hund, der mit seinem geliebten und ihn liebenden Herrchen spielt sehe und der zweifellos glücklich zu nennen ist, weil Hunde eben dafür geschaffen wurden, den Menschen Freunde und Gefährten zu sein, fällt es mir nicht schwer, dieser Glücksdefinition zuzustimmen. Schaue ich mir aber hingegen eine blutsaugende Mücke an, dann wird die Sache schon vertrackter. Sicher ist das Viech alleine schon von seiner Physiognomie her dazu ausgelegt, andere Lebewesen zu plagen, schöne Sommerabende im Freien zu ruinieren und gefährliche Krankheiten zu übertragen. Von daher wäre auch eine Mücke beim Zustechen glücklich zu nennen. Aber nein, lehrt uns der Philosoph, keinesfalls ist sie glücklich, denn sie besitzt ja keine Seele. Auch da kann man nur zustimmen und sich freuen, dass die Welt wieder in Ordnung ist. Oder? Nein, natürlich nicht. Denn jeder weiß, dass die Erscheinung des rein destruktiv agierenden, seelenlosen Parasiten keineswegs auf die Insektenwelt beschränkt ist. Es gibt ihn auch und gerade in der Menschenwelt. Gibt man diese Tatsache nun aber zu, dann stellt sich im Anschluß nur noch die Frage, ob nun entweder auch böses Verhalten glücklich machen kann, so man denn eine böse Natur besitzt, oder es aber auch schlechthin sinnlose Existenzen geben kann. Und da hilft auch kein Verweis auf die nicht sublimierte Triebnatur böser Menschen, denn unter diesen gibt es auch solche, die mit schärfster Disziplin und sogar unter großen persönlichen Opfern an der Zerstörung fremden Lebens arbeiten. Tatsächlich gibt es Menschen, die mit vollendeter Selbstlosigkeit sich der schlechten Sache widmen. Mit dem brutalen Egoismus des Triebtäters haben solche nichts mehr gemein. Wollen wir die rationalistische Definition von Gut und Böse aufrechterhalten, dann müssen wir auf die Frage eine Antwort finden, ob Parasiten böse sind. Wenn wir sagen, dass sie nicht böse sind, weil sie keine Seele und damit gar keine moralische Qualität besitzen, dann dürfen wir auch den Vergewaltiger nicht mehr böse nennen. Denn dieser besitzt ja ebenfalls keine Seele. Entweder das, oder aber wir erkennen an, dass es auch Geschöpfe gibt, deren Vorhandensein sinnlos ist. Der Einwand gegen eine durch und durch sinnvolle und harmonisch präfigurierte Grundordnung der Natur, es gäbe doch auch Parasiten und Krankheiten und dergleichen - der Mensch sei in seiner moralischen Ambivalenz also nicht die einzige Anomalie, wird gerne mit einer rationalistischen Weltentzweiung abgeschmettert. Die Natur folge demnach einer eigenen inneren Logik, diese habe jedoch nichts mit dem Menschen zu tun, da dieser ja dazu bestimmt sei, sich über die Natur zu erheben. Blutsauger gäbe es eben, damit die Vögel etwas zu fressen haben, und Krankheiten, um Überpopulationen zu vermeiden, etc. Der Mensch hingegen dürfe nicht auf der natürlich-tierischen Ebene (die an sich nicht schlecht sei) verharren, weil sich diese nicht mit seiner geistigen Dimension vertrage. Er sei anders als alle Lebewesen dazu verdammt, sich selber immer wieder zu transzendieren. An einem blutsaugenden Parasiten sei daher per se nichts Falsches, weil der Parasit eben dazu in der Welt sei, an einem Dieb hingegen schon, weil er sich durch sein Verhalten seiner eigentlichen Bestimmung dazu, eine Art Gott zu sein, widersetze.

Es fällt auf, dass das Böse in diesem Modell eigentlich gar nicht wirklich vorkommt. In der Natur kann es nichts Böses geben, eben weil sie die Natur ist. Und das was am Menschen böse ist, wird kurzerhand mit der - in seinem Falle zu überwindenden - Natur gleichgesetzt, wird also als Unvollkommenheit wegerklärt.

Die Erfahrung und unser Inneres Empfinden lehren uns zweifellos etwas anderes. Sie lehren uns, dass Parasiten und Viren sehr wohl entweder böse oder sinnlos sind und dass der Triebmörder entweder keine Seele besitzt, oder aber von grundauf böse ist, also eine böse Seele besitzt und durch sein Verhalten sehr wohl dem Sinn seines Daseins entspricht, welcher darin liegt, möglichst viel Schaden anzurichten, wie es auch bei Parasiten und Viren der Fall ist. Daraus folgt wiederum, dass wir keinesfalls in der besten aller möglichen Welten leben und dass es sowohl auf der natürlichen, als auch der übernatürlichen Ebene Dinge gibt, die es nicht geben sollte.
Von einer harmonisch präfigurierten Schöpfungsordnung nirgends eine Spur. Sicher empören wir uns über die Mißstände in dieser Welt. Aber aus dieser Empörung abzuleiten, wir hätten Gott oder irgend eine abstrakte Vernunft auf unserer Seite, wenn wir das nicht wollen, oder dass unsere Ideale in Platons Ideenwelt eine ewige und objektive Existenz fristeten - all das ist pures Wunschdenken und Spekulation. Nein die Natur schert sich nicht um unsere Ideale. Und genau so wenig schert sich die geistige Welt, denn auch in ihr gibt es Teufel und Dämonen. Unsere Empörung geht ja zweifellos darauf hinaus, dass nicht nur etwas nicht in Ordnung ist, sondern dass es manche Dinge überhaupt nicht geben dürfte, es sie aber eben doch gibt. Die blosse Existenz des Bösen und Falschen ist der Beweis, dass die vernünftige Struktur des Kosmos eine bloße Kopfgeburt ist. Und auf der spirituellen Ebene zeigt sie uns, dass eben nicht überall eine göttliche Vorsehung waltet.

Wenn es aber grundsätzlich möglich ist, dass diese Welt als ganze Gesehen defizient ist, dann kann es auch keine Garantie mehr dafür geben, dass wenigstens der Mensch davon verschont bliebe, denn er ist ja Teil dieser Welt. Auch hier spricht die Erfahrung eine deutliche Sprache. Egal wie sehr wir es versuchen, egal wie ehrlich unsere gute Absicht: Wir machen ständig Fehler, nicht selten schwerwiegende und kennen nicht einen anderen Menschen, der frei von Fehlern ist. Das Böse ist eine erfahrbare Realität - auch das Böse in uns selber. Und das ist nicht nur ein Mangel an Vernünftigkeit. Denn unsere Vernunft ist korrumpierbar. Es bleibt ja nicht dabei, dass wir nur die besten Absichten hätten, aber dann aufgrund unseres "schwachen Fleisches" eben doch wieder sündigten. Nein, wer sich selber gut beobachtet wird zweifellos feststellen, dass seine Gedankengänge sich unmerklich seinen verborgenen Absichten und auch zumindest fragwürdigen Neigungen nur allzu bereitwillig anpassen können. Diese verborgenen Absichten müssen ja nicht alle gleich schlecht sein. Allerdings sind auch nicht alle gut. Und bei vielen läßt es sich nicht ohne weiteres feststellen, ob sie nun "rein" oder auch nicht rein sind.
Das ist der Keim des Selbstzweifels: Die Erfahrung, dass wir uns selber nicht immer trauen können.

Und das ist es eben mit dem Verstande. Wir alle haben Interessen, geheime Wünsche, Schwächen und auch Ängste. Geschmeidig passt der Verstand sich nun diesen Trieben an in dem was er denkt und auch in den Ergebnissen seiner Gedankengänge. Wer starke Ängste hat, wird sich entweder ganz bewusst nur mit Heiterem und Unverfänglichem befassen, oder aber im Gegenteil sich selber quälen, indem er immer wieder um seine Ängste kreist. In jedem Falle ist ihm ein objektiver Umgang mit diesen Ängsten nicht möglich - denn er ist ja ihr Subjekt! Was und wie ein Mensch denkt und womit er sich befaßt, das läßt direkte Rückschlüsse auf seinen Charakter zu. Und kein Mensch im fortgeschrittenen Alter bleibt in seiner Weltanschauung unbeeinflußt von seinen persönlichen Erfahrungen (die ja auch immer etwas mit seinen Interessen zu tun haben, die er notwendig verfolgt haben muß). Die eine definitive Wahrheit hat kein Mensch und kann auch kein Mensch haben, und selbst wenn es einen Menschen gäbe, der alles begriffen hätte, so wäre er für den Suchenden unmöglich zu finden in der Masse der Millionen, die vermeintlich den Durchblick besitzen

Grob lassen sich die Menschen in Fragen der Weltanschauung in folgende drei Gruppen einteilen:

1. Die Ignoranten: Sie sind entweder zu dumm oder zu feige, um sich der Komplexität der Wirklichkeit zu stellen. Selber denken sie niemals über irgend etwas anderes als ihre kleinen Alltagsgeschäfte nach und passen sich, wenn doch einmal ernste Fragen auftauchen geschmeidig entweder der Mehrheitsmeinung an, oder da wo eine Auswahl besteht derjenigen Auffassung, welche ihren eigenen Neigungen am ehesten entspricht. Ihnen ist die Wahrheit völlig gleichgültig. Sie wissen nichts und sind glücklich damit.

2. Die Ideologen: Auf ihrer rastlosen Suche nach der Wahrheit haben sie ihre seelischen Reserven überstrapaziert. Weil es ihnen auf die Dauer unerträglich wurde, die Ambivalenz der Wirklichkeit auszuhalten und weil hinter jeder Tür die sie öffneten zwei neue warteten, es ihnen aber auch nicht mehr möglich war, die bereits getätigten Erkenntnisse (oder was sie für solche hielten) wieder zu vergessen, sind sie irgendwann einfach stehen geblieben, indem sie der Verlockung einer vorgefertigen Weltanschauungen nachgaben, die die Widersprüche aufzulösen verspricht. Entweder das, oder sie haben ihren eigenen Kenntnisstand verabsolutiert. Manche von ihnen sind wahnsinnig. D.h. sie halten ihre abgeschlossene Sicht der Dinge wirklich im innersten für die definitive Wahrheit. In ihrem unbeirrbaren Vertrauen auf die Objektivität ihres eigenen Verstandes übersehen sie, dass ihr Verstand nur mit Grundannahmen arbeiten kann, die sie a priori aus dem Unbewussten heraus gemacht haben.

3. Die wahren Philosophen oder die Weisen: Sie halten die Widersprüchlichkeit der Existenz aus und widerstehen jeder Versuchung, diese auf die eine oder andere Weise aufzulösen. Sie behaupten nicht, letzte Antworten zu besitzen und sind doch reich an Erkenntnis. Sie verfallen weder in das unreflektierte Schwarzweißdenken der Ideologen, noch in den Relativismus der Ignoranten. Sie sind sich der Unergründlichkeit sowohl ihrer eigenen Motive als auch des Kosmos bewußt und folgen einer zuverlässigen Inneren Eingebung, die ohne scheinbar zwingende Argumente auskommt, weil sie frei von jeder Anmaßung ist. Diese Menschen sind weise und verständig, obwohl sie sich selber nicht dafür halten (anders als die Ideologen). Ihr Verstand ist nur aus dem einen Grunde nicht korrumpierbar, weil sie einen guten Charakter besitzen. Dies ist keine Eigenleistung von ihnen, sondern Anzeichen ihrer Auserwähltheit.

Egal wie sehr du dich um Erkenntnis bemühst, sie wird dir nur dann zuteil werden, wenn du dazu bestimmt bist. Bist du ein guter Mensch, dann wirst du nicht fehlgehen, ob mit oder ohne Verstand. Bist du aber ein schlechter Mensch, dann wird dir dein Verstand nicht nur nichts nützen, nein dann wäre es besser für dich, wenn du keinen hättest, sodass du in dem relativ unschuldigen Stadium der Ignoranten verharren könntest.

Mittwoch, 12. April 2017

Justified true belief

Rationalismus ist die grosse Versuchung, so viel steht fest. Das gilt aber nicht nur für diejenigen, die aus ihm heraus einen Atheismus oder ähnlichen Dreck begründen wollen. Vielmehr ist er gerade für Christen die allergrößte Gefahr in unserer Zeit. Wer seine nihilistische Lebensauffassung mit Logik zu untermauern sucht, dem ist ohnehin nicht zu helfen, Rationalismus hin oder her. Nein, die Christen! Sie sind das hauptsächliche Opfer dieses grössten Betruges der Menschheitsgeschichte: Der Annahme, die gesamte Wirklichkeit sei logisch und dem Verstande zugänglich organisiert.
Das fängt schon bei dem Begriffe der Theologie selbst an. Da nimmt man eine Offenbarung oder einen als solche gehandelten Text und versucht sogleich, diese schwer zugängliche Materie in ein ethisches System zu konvertieren. Tatsächlich verweigert der Offenbarungstext sich einem solchen Ansinnen. Aber das kümmert den rationalistischen Theologen (und das sind nicht nur die Modernisten unter ihnen) nicht, denn er meint es ja gut.
Die Menschen beispielsweise des Mittelalters bedurften einer derartigen Pädagogik nicht. Sie erblickten die Symbole und Riten, sie vernahmen die lateinischen Formeln, sie stimmten die frommen Gesänge an, welche wiederum eine symbolisch-bildliche anstatt einer rationalen Sprache besaßen: und sie - nein, sie verstanden nicht - sie sogen die Botschaft auf wie Muttermilch. Für jene Menschen war die Vorstellung, dass Gott lieben und aber auch verdammen kann völlig unproblematisch. Denn sie stellten keine blödsinnigen Formeln auf, wie:

Gott ist die Liebe.
Liebe ist das Gegenteil von Hass
Also hasst Gott niemanden.

Nein, eine Deutung von Symbolen kam ihnen überhaupt niemals in den Sinn. Denn den Unterschied zwischen Symbol und Bedeutung kannten sie überhaupt nicht. Alles Erleben war ihnen bedeutsam. Gott war keine Idee, sondern eine greifbare Wirklichkeit. Dämonen gingen umher und Engel, nicht in irgendeinem Äther, sondern in dieser unseren Welt. In der Alchimie fanden Naturwissenschaft und Magie zusammen, ganz einfach weil ein Unterschied zwischen Natur und Übernatur nicht gemacht wurde.

Auch heute gibt es noch Menschen, die an Wunder und Magie glauben. Auch heute bekennen tausende, dass Christus nicht nur in einem ideellen Sinne "in uns allen weiterlebt", sondern tatsächlich im Fleische auferstanden ist und auch dereinst wieder kommen wird.
In meinen Augen ehrt sie das. Sie folgen damit ihrer eigenen Intuition und nicht irgendwelchen Kopfgeburten fremder Instanzen. Zumindest wenn sie es wirklich glauben und nicht nur mit den Lippen bekennen. Dieser Glaube jedenfalls, dieser Glaube gegen alle Wahrscheinlichkeit, gegen die öffentliche Meinung und gegen ihre Erfahrung - dieser Glaube zeugt von Authentizität, von Charakter - und bisweilen sogar von Seelentiefe.

Doch was macht man dann aus diesem phantastischen (und deshalb nicht weniger berechtigten) Glauben? Behandelt man ihn als das, was er ist? Selbstverständlich nicht.
Nein, in der naiven Annahme, dass alles so sein müsse wie es sein soll, versucht man sogleich, auch hier, wo sie nichts zu suchen haben Gesetzmäßigkeiten zu postulieren und sogleich noch eine gute Portion irdischer Vorstellungen von Gerechtigkeit hinein zu schleusen in den Glauben. Das Ergebnis in zehn Punkten sieht dann ungefähr so aus:

1. Gott ist die Liebe.
2. Gott hat den Menschen geschaffen, um in ein liebendes Verhältnis mit diesem eintreten zu können.
3. Damit der Mensch lieben kann, muss er sich auch dagegen entscheiden können, denn...
4. ... Liebe setzt einen freien Willen voraus (ist also Willenssache).
5. Also gab Gott dem Menschen einen freien Willen, was dazu führte, dass...
6. ... der Mensch sich gegen die Liebe (also eigentlich gegen den Gehorsam, aber das eine schließt irgendwie das andere mit ein) entschied und dadurch...
7. ... Leid und Tod und das Böse (= die Abwesenheit des Guten) in die Welt brachte, weshalb Gott...
8. ... den Menschen für die nächsten paar zehntausend Jahre die Gelegenheit gab, die Folgen ihres Ungehorsams auszubaden, um ihnen damit eine Lektion zu erteilen...
9. ... auf dass sie irgendwann von selber einsähen, dass es besser (=vernünftiger) sei, Gott zu lieben und ihm also zu gehorchen.
10. Weil sie es nicht einsahen und weil ein paartausend oder auch mehr Jahre voller unsagbarer Greuel noch nicht genug waren, nahm Gott schließlich stellvertretend die Strafe auf sich und jetzt sind alle gerettet, die dieses Opfer persönlich in Anspruch nehmen und können endlich dem Zwecke ihres Daseins entsprechen und Gott lieben und sich von ihm lieben lassen.

Ich möchte ganz klar betonen, dass ich dies weder in blasphemischer Absicht schrieb, noch mich über die Gläubigen lustig zu machen. Es ging mir nur darum, meinen Lesern die Absurdität des Ansinnens vor Augen zu führen, den Glauben in ein "logisches" System hinein zwängen zu wollen.

An dieser oben geschilderten Auffassung, die mir bei mehr Menschen begegnet ist, als mir lieb ist ist so viel Falsches und Absurdes, dass man nicht weiß wo man anfangen soll. Und noch einmal: Nicht der Glaube und nicht das Evangelium sind absurd, sondern was die Menschen in wohlmeinender Absicht daraus gemacht haben: eine vorne und hinten nicht aufgehende Lehre, die vor Willkür nur so strotzt. Deshalb spare ich es mir an dieser Stelle auf die unzähligen Widersprüche darin einzugehen. Wer diese nicht erkennt wird dies auch dann nicht tun, wenn ich sie ihm aufzeige.

Die bekennenden Christen reden gerne von Demut. Es ist tatsächlich eines ihrer Lieblingswörter. Nun denn, dann also Demut. Wie wäre es zum Beispiel damit, die Demut immer dann zu praktizieren, wenn der Verstand mit Gottes Wort nicht Schritt halten kann und es nun also als unentschlüsselbares Mysterium stehen zu lassen, anstatt den Zweiflern irgendwelche aus den Fingern (aber meistens nicht den eigenen) gesogene Scheinargumente um die Ohren zu hauen.
Für den Glauben spricht zweifellos mehr, als gegen ihn spricht. Aber doch um Himmels Willen keine Argumente!

Mittwoch, 5. April 2017

Anmerkung

Meine letzten beiden Texte konnten vielleicht den Eindruck erwecken, ich würde noch Chancen für die Reconquista sehen. Dem ist durchaus nicht so. Alles was ich schrieb bewegt sich ausschließlich auf dem Boden der Theorie. Tatsächlich sind sowohl das Abendland, insbesondere Deutschland, damit der Begriff der Zivilisation und der Kultur selber, als auch die Kirche in ihrer Gesamtheit unrettbar verloren. Zumindest ist das meine persönliche Einschätzung. Es macht mir einfach nur Spaß, darüber zu raisonnieren, wie eine mögliche Rettung theoretisch aussehen könnte.

Perspektiven in einer verrottenden Welt

Mit dem Wegfall der katholischen Kirche als dem Garanten der reinen Lehre ist nun der einzelne Christ ob mit oder gegen seinen Willen auf sich selber und sein eigenes Gewissen zurück geworfen und damit in derselben Situation, wie der atheistische Weltmensch. Der Bibelfundamentalismus der Evangelikalen taugt nicht als Ersatz für das kirchliche Lehramt. Letzteres wurde ja gerade durch die faktische Unentschlüsselbarkeit der Bibel erst  notwendig. Nicht, dass man die Heilige Schrift nicht ohne grossen persönlichen Gewinn lesen können würde. Doch unsere unstete Zeit des Chaos und Verfalls verlangt nach definitiven und verbindlichen Antworten. Das persönliche Bibelstudium ist ein Luxus, den sich der Einsiedler leisten können mag. Der in die Welt gestellte und ihr schlechthin ausgelieferte Einzelmensch kann es jedenfalls nicht. Vielmehr ist gerade die typisch protestantische Idee vom persönlichen Bibelstudium als primärer Katechese ein schlimmes Beispiel dafür, wie der in seinen Ursprüngen atheistische Individualismus christlich verbrämt Eingang in die Religionspraxis gehalten hat. Solange jeder Mensch seinen privaten Glauben pflegt, solange ungezählte Klein- und Kleinstkirchen in Konkurrenz zueinander stehen und letztlich keine zwei Christen selbst innerhalb derselben Konfession dasselbe glauben, solange bleibt das Christentum, bleibt der Christ in der Welt völlig marginalisiert und isoliert und damit ohnmächtig, ja bedeutungslos. Selbst eine grosse Zahl von Christgläubigen verliert jegliches Gewicht, wenn innerhalb ihrer keine Einigkeit herrscht. Von einer solchen Einigkeit ist die weltweite Christenheit so weit entfernt, wie nur irgend möglich. Ich wage zu behaupten, dass selbst die berüchtigten Zwistigkeiten innerhalb der islamischen Welt in keinem Verhältnis zu der Atomisierung der Christenheit stehen. Dies hat zwei Gründe: Zum einen ist das Christentum als im weitesten Sinne "westliche" Religion mit dem in der Aufklärung wurzelnden Individualismus infiziert. Die Völker Asiens und Afrikas haben hingegen eine Aufklärung niemals gesehen und sind traditionell kollektivistisch ausgerichtet. Während in jenen Weltgegenden während des 20. Jahrhunderts teils deutliche Tendenzen einer "Verwestlichung" sich zeigten, scheint das Abendland aufgrund seines Niederganges inzwischen seine Attraktivität für die Orientalen eingebüßt zu haben. Man soll sich nicht täuschen: Was der allergrößte Teil jener "Flüchtlings"-massen nun in Europa sucht, sind (von einer verschwindend kleinen gebildeten Minderheit einmal abgesehen) ganz sicher nicht abendländische Bildung und Kultur, sondern ganz einfach eine wirtschaftliche Perspektive, die ihre Heimat ihnen nicht bieten kann, von der offenbar nicht unbeträchtlichen Zahl von Schwerkriminellen und Vergewaltigern einmal abgesehen. Jedenfalls hat bereits das erste Kapitel der europäischen Masseneinwanderung im 20. Jahrhundert überdeutlich gezeigt, dass eine Mehrheit der mohammedanischen Einwanderer nicht daran denkt, ihrer Kultur und Religion abzuschwören und neue Europäer zu werden. Was man ihnen an sich auch nicht verübeln kann. Anzuklagen ist vielmehr die dummdreiste internationale Politmafia, welche diese fremden Kolonisten eingeladen hat. Kurz gesagt kann die islamische Masseneinwanderung nach Europa keineswegs als Anhaltspunkt für eine weiterhin bestehende Attraktivität irgendwelcher "abendländischer Werte" herhalten.
Der zweite Grund liegt im Wesen des mohammedanischen Glaubens selber, als einer Schrift- und Gesetzesreligion. Zwar gibt es innerhalb des im weitesten Sinne christlichen Kosmos jene bereits erwähnten Ansätze einer ähnlich wortgetreuen Auslegung der Bibel, die aber wiederum an der Beschaffenheit der Bibel scheitern muss. Die Stärke des Islams ist vor allen Dingen seine Einfachheit. Trotz des Fehlens verbindlicher Instanzen kann im Mohammedanismus eine weitgehende Einigkeit darüber beobachtet werden, wer ein guter Muslim ist und wer nicht: wer die eindeutigen Gebote hält. Fragen nach Innerlichkeit und Wahrhaftigkeit kommen hier gar nicht erst auf. Iss dieses und jenes nicht, pilgere einmal im Leben nach Mekkah, bete drei mal täglich, halte den Ramadan, geh freitags zur Moschee - und dann bist du ein guter Moslem - fertig. Optional kommen noch einige schöne Traditionen wie das Abschlachten von Ungläubigen hinzu, aber das ist schon nicht mehr unbedingt notwendig. Zwar gibt es auch im Christentum Gebote, jedoch beziehen diese sich weitestgehend weniger auf Verhaltensweisen, als Vielmehr auf das individuelle Seelenleben und sind nur schwer und zum Teil überhaupt nicht eindeutig zu konkretisieren. Unter einer Anweisung wie "Liebe deine Feinde" kann so ziemlich alles und nichts verstanden werden. Wohingegen: "Iss kein Schweinefleisch" nun wirklich keinen Raum für Mißverständnisse lässt. In dieser Hinsicht lässt der Islam sich übrigens weit besser mit dem Judentum vergleichen, welches ja ebenfalls eine Schrift- und Gesetzesreligion - also eine Veräußerlichte ist. Die vielgehörte Rede vom "christlich-jüdischen" Abendland ist in ihrer Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten. Wenn der Islam nicht zu Deutschland gehört, dann tut es das Judentum erst recht nicht. Jeder arabische Christ ist mehr Europäer, als ein beliebiger praktizierender Jude in Europa. Das hat ganz einfach damit zu tun, dass die orientalische Seele ihren Ausdruck in Judentum und Islam findet, während das Christentum ganz sicher nicht zufällig zuerst in Europa auf fruchtbaren Boden fiel, jedoch nicht in Palästina und Arabien. Die ersten Christengemeinden entstanden zwar in Vorderasien, dieses kann jedoch in der vorislamischen Zeit dem hellenistischen Kulturkreis zugerechnet werden und damit einem im weitesten Sinne europäischen. Wie man es auch anfängt, es läßt sich nicht leugnen, dass mit den durch und durch orientalischen Juden und Arabern die Träger der zwei anderen Großen Monotheismen historisch gesehen stets die größten Feinde des Christentums waren und dieses kaum zufällig nicht annahmen.
Am Schluss bleibt die unübersehbare Tatsache, dass die beiden orientalischen Religionen stark sind und wachsen, das westlich aufgeklärte Christentum hingegen abstirbt und heillos zerstritten ist, selbst da wo noch eine formale Einheit besteht.
Worüber ich in diesem Aufsatz nicht sprechen möchte sind die areligiösen Juden als Mit-Urheber von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", sowie die grosse Zahl der angeblichen Christen, welche weniger an Jesus Christus, als vielmehr an jene unheilige Dreifaltigkeit des Modernismus glauben, nur eben in alter freimaurerischer Manier mit religiöser Symbolik verbrämt. Das ist ein Thema für viele kommende Aufsätze, würde aber jetzt den Rahmen sprengen.

Fassen wir nun einmal kurz zusammen: Das sogenannte Abendland hat sich selber im Zuge eines Prozesses der Aufklärung und Demokratisierung genannt wird langsam demontiert, seine sämtlichen Wurzeln gekappt und infolgedessen seine seelische Vitalität praktisch vollständig eingebüßt, weshalb es nun beschlossen hat, auszusterben. Ob jene teuflische Ideologie nun unter der Maske von Kapitalismus oder Marxismus auftritt, ist einerlei. Im Ergebnis ist es alles dasselbe: Materialismus, Atheismus, Seelenverlust, Sittenzerfall, Volkstod. Das Christentum fällt als Bastion gegen jenen Niedergang praktisch völlig aus, da es unendlich zersplittert, in grossen Teilen (z.B. nahezu der gesamten offiziellen katholischen Kirche) feindlich infiltriert ist und dann noch selbst in den zuverlässigeren Restbeständen unter schlimmster Desorientierung und teilweise massivem Realitätsverlust leidet.

Wer gedenkt das Abendland durch Fasten und Gebet und einen tugendhaften Lebenswandel zu retten, der hat nicht das Geringste begriffen und hat offensichtlich die letzten 500 Jahre europäischer Geschichte verschlafen. Im Angesicht eines Feindes, der über quasi unbegrenzte Macht verfügt, fast die gesamte Intelligenz, die Staaten, die Medien und das Kapital auf seiner Seite hat und seit 200 Jahren von Sieg zu Sieg schreitet und dessen großes Vernichtungswerk jetzt kurz vor der Vollendung steht ist jeder moralische Skrupel Schwäche und wirkt Tugend fast schon lachhaft, ist in jedem Falle bloß vergebliche Liebesmüh. Und es soll keiner meinen, dass die Welt doch ruhig untergehen möge, solange er nur seine Seele rettet. Es gehen täglich tausende Seelen verloren - ja die meisten sind bereits verloren gegangen, weil die Christen schlafen. Die Vorgänge in der sichtbaren Welt haben direkten Einfluß auf die unsichtbare. Und der Kampf um die ewigen Güter wird in dieser Welt ausgefochten und nicht in Klöstern. Wenn jener Papst vor tausend Jahren ausrufen konnte "Gott will es", dann kann man nur sagen, dass er auch als Theologe im Recht war. Er hatte begriffen, was die heutige christliche Schafherde nach jahrzehntelanger pazifistischer Gehirnwäsche völlig vergessen hat: Dass Gott die Starken und Entschlossenen liebt, nicht aber die Schwächlinge und Zauderer. Nicht durch weibische Frömmelei verdient man sich die höchsten Güter, sondern durch Kampf - auf geistlicher und weltlicher Ebene. Wenn nur die geistlichen Güter eine Bedeutung hätten, hätte Gott das Universum nicht erschaffen. Die materielle Welt ist vielmehr als Spiegel und Gleichnis der geistlichen zu betrachten. Dem Wechselverhältnis zwischen Leib und Seele entspricht eines zwischen der irdischen und der himmlischen Sphäre. Und wenn die Menschheit in den Abgrund fährt, dann liegt das nicht an mangelndem Gebet, sondern an der Untätigkeit der Christen. Der Teufel schläft nicht, der arbeitet rastlos an der Versklavung aller Völker. Und jene Christen, die Passivität (auch Konservatismus geheißen) als eine Tugend betrachten, sind gegen ihren Willen seine heimlichen Verbündeten.

Was ist zu tun? Der geistlichen Reconquista muss eine weltliche voran gehen! - Warum? - Weil unter den Bedingungen einer "liberalen" Demokratie eine Wiederherstellung des Abendlandes und damit des Christentumes für alle Zeiten ausgeschlossen ist. Christentum und Demokratie, das ist ein unauflöslicher Widerspruch. Ein Christ kann und darf nicht Demokrat sein. Die Demokratie, das ist ja gerade die Herrschaftsform des Atheismus. Sie entspricht ihm als Staatsform genau so, wie das autoritäre Patriarchat dem Christentume. In diesem Sinne läßt sich durchaus sagen, dass selbst unter Kaiser Nero die Christen bessere Bedingungen vorfanden als in Zeiten der "Religionsfreiheit". Denn Verfolgung ist bei weitem nicht das Schlimmste, was den Christen widerfahren kann. Nicht Verfolgung, sondern Korruption. Die geistliche Korrumpierung der Kirche bis in die Kurie hinein ist eine direkte Folge ihrer Demokratisierung. Ebenso verhält es sich mit dem massenweisen Glaubensabfall in Europa. Auch im Dritten Reich wurde die Kirche verfolgt. Doch hatte sie da etwa mit Glaubensabfall zu kämpfen? Nein, gerade in dieser Zeit erfreute sie sich bester Gesundheit. Selbst im Konzentrationslager fanden noch Priesterweihen statt. Und diese Priester, das läßt sich mit Gewissheit sagen, waren mehr wert als tausend lasche Pfaffen in der Demokratie.
Demokratie, oder besser Demokratismus, das bedeutet Totalherrschaft der Gegenwart, des Geldes, des Konsums, der Masse. Unter solchen Bedingungen kann überhaupt kein Christentum auf die Dauer existieren, geschweigedenn sich erholen. Da hilft auch kein Rosenkranz.
Grundsätzlich ist nichts gegen all jene Aspekte der Frömmigkeit zu sagen. Mir liegt es fern, gegen Klöster, Beten, Fasten, Rosenkranz und all solches grundsätzliche Einwände zu erheben. Die Sache ist nur einfach die, dass jetzt nicht die Zeit dafür ist. Das Gebet besitzt sicherlich eine große Macht. Und der Glaube kann Berge versetzen, das ist alles richtig. Aber es soll sich doch niemand einbilden, dass Gebet und Fürbitten auch nur den geringsten Einfluß auf sagen wir die Politik oder auf irgendwelche Vorgänge in der Natur hätten. Nein, Gebet und Glaube wirken sich dahingehend aus, dass sie den Einzelnen, den Beter verändern und ihm im Idealfall Kräfte verleihen, beziehungsweise in ihm freisetzen, über die er vorher nicht verfügen konnte. Was Gebet allerdings nicht vermag, ist beispielsweise auf telepathische Weise sich auf abstrakte Entitäten oder auf Personen auszuwirken, zu denen man in keinem Kontakt steht. Solches fällt definitiv in den Bereich des frommen Aberglaubens. Gebet kann dich zu einem besseren Menschen machen, aber niemand anderen, es sei denn, du besitzt einen direkten Einfluß auf ihn. Und im Falle der Christen lässt sich nun einmal sagen (wenn man die Scheinchristen wegsubtrahiert), dass sie viel zu wenige sind, um jemals noch ein politisches Gewicht zu entfalten, da können sie noch so große Mystiker sein und meinetwegen Heilkräfte oder Stigmata besitzen. Nein, ohne die Heiden geht es nicht. Ohne die Masse geht es nicht. Vor der Rechristianisierung muß zunächst wieder eine allgemeine Ordnung hergestellt werden. Und das geht nur auf politischem Wege durch eine Massenbewegung, die naturgemäß möglichst alle Schichten und Konfessionen umfassen muß. Unter den Bedingungen der Demokratie ist Masse Trumpf. Der Macht der Lügenmedien ist eine kraftvolle und in höchstem Maße suggestive Propaganda entgegen zu stellen und eine schonungslose Gegenaufklärung. Einen konservativ -bürgerlichen Journalismus können wir hingegen nicht gebrauchen. In seinem Bemühen um Seriosität und Sachlichkeit stößt er letztlich in dasselbe Horn, wie die Lügenpresse, nur dass er ehrlich ist. Und im Duell mit professionellen Lügnern und Wortverdrehern werden die Ehrlichen und Sachlichen stets nur Niederlagen einfahren. Was wir brauchen ist schärfste Polemik und Massenpsychologie.
Anstatt an irgend einen toten bürgerlichen Wertekanon zu appellieren, müssen die Urkräfte des Volkes geweckt werden; muß die unausrottbare Sehnsucht nach Gemeinschaft, Ordnung, Hierarchie und Sicherheit wieder aktiviert werden. Unter den jetzigen Bedingungen ist dies unmöglich, da die Menschen fett und verweichlicht sind und in einer Scheinwelt von Medien und Konsum leben, quasi in der Matrix. Vielmehr gilt es, sich bereit zu halten, bis der unausweichliche grosse Zusammenbruch kommt, bis die Wirtschaft kollabiert und die anhaltende Masseneinwanderung ihre Früchte inform von Bürgerkrieg zeitigt. Der in seiner Intensität sich ständig steigernde islamische Terror wird sein Übriges tun. In dem Moment, wenn alles um sie herum endlich auch sichtbar zusammenbricht, werden die Menschen nach Ordnung rufen - und das ist die große Chance. Diese jetzige Welt muß notwendig absterben, bevor auf ihren Trümmern eine neue errichtet werden kann. Solange dieser Prozeß noch nicht abgeschlossen ist, ist die Zeit unser einziger Verbündeter.


Dienstag, 4. April 2017

Rationalismus ist Atheismus

Wir befinden uns zweifellos in der Endzeit. Wer das nicht sieht, der kennt sich selber nicht. Die jüngere Geschichte hat eine Reihe von spirituellen Katastrophen gesehen, die jedes bisher dagewesene Ausmaß überstiegen. Unbemerkt hat der Feind die triumphalsten Siege errungen. Wir stehen nicht am Abgrund, wir befinden uns im freien Fall. Während die Dummköpfe noch das christliche Abendland oder die liberale Gesellschaft verteidigen wollen und die Schwachsinnigen optimistisch bleiben hat die Hölle längst ihre Schleusen geöffnet. Die Findigeren unter den Narren wollen die leere Büchse der Pandora schließen.

Stell dir vor es ist Krieg, und keiner bemerkt es.

Als Jesus seiner Kirche prophezeite, die Pforten der Hölle würden sie nicht überwältigen, welche Kirche meinte er da? Die Katholische? Die Orthodoxie? Oder eine abstrakte Gesamtheit aller Christen?

Wenn Christus im Tode siegreich war, warum sollte seine Kirche der Vernichtung entgehen?

Gott, Teufel, Himmel, Hölle, das sind Realitäten. Auf welche Weise genau, das muß uns nicht kümmern. All das ist unendlich bedeutsam, auf die eine oder andere Weise.


Diese kleine Meditation sollte zur Einstimmung auf den Themenkomplex der kommenden Tage dienen. Selbstredend lässt sie den Leser ratlos zurück. Das macht aber nichts. Es war von mir nämlich so beabsichtigt. Denn eben dadurch konnte ich ihn auf einen schweren Fehler aufmerksam machen - auf die Eindimensionalität seines Denkens. Einfacher gesagt: Das erste Glied der langen Kette von Irrtümern, in denen ALLE modernen Menschen befangen sind, heißt Rationalismus. Ja, lieber Leser, du konntest die Meditation nicht verstehen, weil es da gar nichts zu verstehen gab. Zumindest nicht in dem Sinne, wie du es erwartet hast. Bilde dir nur nicht ein, frei von Vorurteilen zu sein! Das sind höchstens Kleinkinder. Und würden sie nicht mit der Zeit zu Vorurteilen gelangen, dann blieben sie immer Kinder. Nein, lieber Leser, es ist einem erwachsenen Menschen nicht möglich, sich irgend einem Text völlig unvoreingenommen zu nähern. Dies liegt in der Natur der Sprache begründet. Denn die ist so ambivalent wie der Mensch selber. Aus ein- und demselben Wortschatz lassen sich Lieder und Traktate, Romane und Protokolle, Gebete und Kommandos formen - und niemand nimmt Anstoß daran. Nun sage mir, geschätzter Leser: Bildet die Sprache Wirklichkeit ab, oder konstituiert sie selber welche?
Ganz gleich, zu welcher Antwort du gelangen magst, muss du doch zugeben, dass Wirklichkeit, Wahrheit, Realität - dass das alles nicht so eindeutig ist. 
Sprache ist Denken, das weißt du sicher. Und wenn unsere Sprache ambivalent ist, so ist es auch unser Denken. Ob die Wirklichkeit nun auch ambivalent ist, das zu beurteilen ist unmöglich. Nur aus Gottes Perspektive ist das möglich. Gäbe es einen perfekten Intellekt, dem die Gesamtheit aller Fakten bewusst ist, der aber nicht Gott ist, so müsste dieser angesichts dieser Frage genau so kapitulieren wie du und ich.
Hüte dich darum vor jeder Einseitigkeit. Sage nicht: "Dies ist schwarz und jenes weiß". Sage aber auch nicht: "Alles ist relativ". Du magst über das Ganze sprechen und denken, soviel es dir beliebt, doch versteige dich nicht dazu, dabei über Thesen und Spekulationen hinaus zu gehen. Dies ist kein Relativismus und keine Denkfaulheit, sondern Ausdruck von Ehrfurcht.

Da kam ein frommer Christ zu mir und zitierte aus der Bibel. Er sagte viel Gutes und Richtiges. Dann legte er mir die Bibel aus. Offenbar war er der weiseste Mensch aller Zeiten, denn anders als alle vor ihm hatte er den letzten Sinn der Schrift begriffen. Er sagte: Dem Menschen steht es nicht zu, die Fülle der Erkenntnis zu erlangen. Was er aber für dieses Leben zu wissen braucht, das hat Gott ihm in der Schrift mitgeteilt. Da fragte ich ihn, welche Übersetzung der Bibel die Richtige sei. Er nannte mir eine bestimmte Übersetzung, die besonders nah am Urtext sei und weder katholisch noch evangelisch verfremdet. Ich las sie und verstand nichts. Also ging ich wieder zu dem Bibelkundigen und bat ihn, mir den Sinn der Schrift zu erschließen. Schroff fuhr er mich an, was es da zu erschließen gäbe? Ich müsse doch einfach nur lesen, was dasteht und danach handeln. Ich wollte wissen, warum ein so grosser Teil der Schrift gar keine Handlungsanweisungen enthält, wenn es doch nur darum ging. Er meinte, das richtige Handeln setze die Erkenntnis der Wahrheit voraus. Aus dieser Antwort lernte ich, dass sich die Weisheit, die dem Manne zweifellos zu eigen war, nicht nur nicht in Worte fassen ließ, nein, er war sich seiner eigenen Weisheit nicht einmal selber bewusst. Deshalb setzte er sie auch bei seinen Zuhörern voraus. Das war ein Mann, der die Wahrheit besaß, doch weitergeben konnte er sie nicht, sondern nur den Fischen predigen.
Darum wandte ich mich an einen anderen Heiligen, der ebenso weise war, jedoch auf eine andere Art. Ich erzählte ihm von dem ersten Heiligen, den er auch kannte und schätzte und fragte ihn, warum dieser mir nichts beibringen konnte. "Er hat nichts falsch gemacht", sagte er, "und du ebensowenig. Nicht der Verstand erschließt uns den Sinn der Schrift, sondern der Heilige Geist. Derselbe ist es auch, der uns nach der Wahrheit handeln lässt. Dieser Mann ist vom Heiligen Geist erfüllt und weiß es nicht. Du aber hast weder den Heiligen Geist, noch kennst du ihn. Lies also in der Schrift und tue was recht ist in den Augen Gottes, dann wird der Geist über dich kommen."
Ich beschloss, dass der Mann verrückt sei. Darum fragte ich ihn höflich: "Sicher willst du darauf hinaus, dass mein Verstand mir den Heiligen Geist ersetzen soll, solange ich diesen noch nicht habe?"- "Nein mein Sohn. Nichts kann den Heiligen Geist ersetzen, schon gar nicht der Verstand. Ich sagte dir doch bereits, dass du die Schrift nur lesen und befolgen musst, um den Geist zu erlangen." Ich beschloss, dass der Mann wirklich verrückt sei. Darum fragte ich ihn höflich: "Ich beginne zu begreifen. Du meinst wohl, dass ich den Heiligen Geist bereits in mir habe und dass die Lektüre der Schrift ihn mir ins Bewusstsein bringen wird, wie wenn man sich an etwas erinnert." - "Nein mein Sohn, du versuchst es immer noch mit dem Verstand. Was für die Schrift gilt, gilt auch für meine Worte. Nur der Heilige Geist kann sie dir erschließen." Vielleicht war auch ich der Verrückte. In jedem Falle lief es darauf hinaus, dass einer von uns beiden verrückt war. Etwas weniger höflich fragte ich ein letztes mal zurück: "Wenn das so ist, warum sprichst du dann überhaupt zu mir?!" - "Gehe in Frieden, mein Sohn."

Diese kleine Kurzgeschichte hat hoffentlich ihren Zweck erfüllt und deine Verwirrung noch gesteigert, lieber Leser. Sei versichert, dass auch dies in meiner Absicht lag. Vielleicht kennst du diese Art von Träumen, wo man mit einem unlösbaren Rätsel befasst ist, einem gordischen Knoten, einer Quadratur des Kreises, der Entschlüsselung von Pi. Vielleicht auch nicht. Ich träume dergleichen häufiger.
Was meinst du nun, woher diese Verwirrung rührt. Ist es weil ich Unsinn schreibe und das Offensichtliche absichtig verdunkle, oder liegt es an dir? Geht es dir am Ende wie dem Ich-Erzähler meiner kurzen Geschichte, der sich nicht entscheiden konnte, wer der Verrückte ist?
Was ist überhaupt ein Verrückter? Das ist ein Mensch, der seine Wahrnehmung mit der Wirklichkeit verwechselt. Die meisten dieser Verrückten bleiben unerkannt, weil ihre Wahnwelt eine oberflächliche Ähnlichkeit mit der tatsächlichen Welt besitzt. Sachlich betrachtet reicht das menschliche Bewusstsein im besten Falle dazu aus, einen Ausschnitt der Wirklichkeit zu erfassen, nie aber das Ganze. Tatsächlich irrt noch der Klügste sich jeden Tag. Den Verrückten unterscheiden also nicht so sehr seine schweren Irrtümer von den "Vernünftigen", sondern dass er sie für die Wahrheit hält. Wer ist dann aber vernünftig? Zum Beispiel Sokrates, der seine totale Unwissenheit einsah. Und der war ganz sicher kein Relativist. Denn es ist zwar möglich, Wissen über alles Mögliche zu erlangen. Und das hätte auch Sokrates nicht bestritten. Doch da unser Bewusstsein wie ein Brennglas immer nur Ausschnitte der Wirklichkeit fokussieren kann und noch dazu in dem Maße, wie wir um Exaktheit bemüht sind, immer mehr den Blick verengen muss, ist jedes Wissen relativ. Wissen im strengen Sinne gibt es nicht. 
Deshalb ist unser Verstand noch lange nicht nutzlos. Die Frage ist vielmehr, wozu er taugt und wozu nicht. Ich behaupte dass er ein Werkzeug ist. Ein wichtiges meinetwegen, aber eben doch nur ein Werkzeug. Denn die Welt des logisch-Sachlichen ist zwar real, doch sie ist mit der Wirklichkeit an sich durchaus nicht identisch. Sie ist nur eine Dimension von mehreren. Deshalb muss jeder verzweifeln oder verrückt werden, der nach der Wahrheit sucht und sich dabei einzig auf seinen Verstand stützt. Die wohl nützlichste und weitreichendste Funktion des Verstandes ist meines Erachtens, dass er Grenzen ausloten kann. Grenzen in einem universal-metaphysischen Sinne, wohlgemerkt. Das Objekt, das ist die Wirklichkeit, das Ganze, das Sein. Das Subjekt ist das menschliche Bewusstsein, von dem der Verstand ein Teil ist. Und wenn er auch nicht fähig ist, das Ganze zu erfassen, oder auch nur erschöpfend zu beschreiben (bekanntlich gibt es Grenzen des Sagbaren), so ist er doch im Idealfall in der Lage, die Konturen dieses grossen Unbekannten nachzuzeichnen. Wie der Verstand ein Organ des Bewusstseins ist, so ist die Sprache ein Organ des Verstandes (jedoch auch dies wiederum nicht ausschließlich!). Im Umgang mit der Wirklichkeit destilliert nun die Sprache ein Bild derselben, mit dem das Bewusstsein umgehen kann. Nichts von dem, was die Sinne an unser Bewusstsein tragen, ist ungefiltert. Noch der trivialste Gedanke stellt eine Vereinfachung eines komplizierten Sachverhaltes dar. Das hat damit zu tun, dass das Bewusstsein den am höchsten entwickelten Aspekt des Menschlichen darstellt, der durch die schwächeren Glieder der Person bedingt ist. Dieses Bewusstsein baut stufenweise auf einem tierischen Fundament auf und ist in wechselseitiger Beziehung auf das Engste mit diesem verwoben. Krankheiten des Körpers (den wir mit den Tieren gemein haben) können das Bewusstsein verändern (ebenso chemische Substanzen). Genau so können jedoch Eintrübungen und Belastungen des Bewusstseins den Körper krank machen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die tierisch-körperliche Ebene gleichzeitig Voraussetzung für die geistige ist und diese aber auch bedingt und damit beschränkt. Das Bewusstsein greift in die Unendlichkeit aus, doch der Körper mit seiner Tierseele hält es zurück. Tatsächlich ist es sogar möglich, jenen Filter unseres Bewusstseins vorübergehend durch bestimmte Drogen oder Meditationstechniken und dergleichen aufzuheben. Das kann nun dazu führen, dass ein Mensch für immer den Verstand verliert, aus dem einfachen Grunde, dass seine schwache Tierseele der plötzlichen Flut an Sinneseindrücken und Gedanken nicht gewachsen ist und kollabiert. Die Wirklichkeit ist in ihrer Gänze mehr als ein einzelner Mensch ertragen kann.
Was tut nun also der Verstand angesichts einer so überwältigenden Mannigfaltigkeit? Er fertigt sprichwörtlich eine Karte an, und zwar mittels der Sprache. Und genau so, wie selbst zwischen Google Earth (geschweige denn einer herkömmlichen Weltkarte) und der echten Welt keine Verwechslungsgefahr besteht, sollte auch niemand auf den Irrtum verfallen, das was er wahrnimmt, sei die Wirklichkeit. Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen des Verstandes.

Jedoch sind die Grenzen des Verstandes nicht diejenigen der Sprache.

Denn wie ich oben angedeutet habe, ist die Sprache nicht nur ein Organ des Verstandes und der Verstand nicht identisch mit dem Bewusstsein. 

Für das, worüber ich reden möchte gute Begriffe zu finden, stellt mich vor ein Problem. Denn alle mir bekannten Begriffe dafür stammen von Rationalisten, deren Weltsicht ich soeben als pure Spekulation widerlegt habe. Genau genommen handelt es sich dabei auch nicht um Spekulation, sondern um das Wunschdenken derer, die sich durch die unfassbare Wirklichkeit überfordert fühlen. Anstatt nun wie Sokrates ihre Ratlosigkeit einzugestehen, beharren sie auf der Richtigkeit ihres zweidimensionalen Denkens. Damit handelt es sich um Verrückte, was insofern lustig ist, als ja gerade sie meinen, die Vernunft für sich gepachtet zu haben. Andererseits besitzen sie leider tatsächlich seit der Aufklärung die Deutungshohheit in allen Fragen. Deshalb ist die landläufige Vorstellung von dem, was Verrücktheit ausmacht selbst schon ein Konstrukt von Verrückten. Denn ein vollständig irrationaler Mensch muss nicht zwangsläufig weniger von der Realität kennen, als ein gefühlloser Rationalist. Jemand der vollständig den Verstand verloren hat, befindet sich buchstäblich in einer anderen Welt, so viel ist richtig. Doch wer kann bitte festlegen, dass diese Welt, in der der Wahnsinnige lebt, mehr oder weniger real ist, als die eigene positivistische? Hierbei ist es jedoch wichtig, zwischen Wahnsinn und Schwachsinn zu unterscheiden. Mit Intelligenzminderung hat Verrücktheit nämlich wenig zu tun. Den Verstand zu verlieren heißt eigentlich, dass das Unterbewusste, welches üblicherweise vom Verstand unterdrückt wird, nun seinerseits diesen unterdrückt. Nun aber dem positivistischen Rationalisten ein grösseres Verständnis von der Wirklichkeit zu unterstellen, setzt bereits ein Vorurteil über das Wesen derselben voraus. In diesem Falle nimmt man dann an, die Wirklichkeit sei vollständig logisch und dem Verstande zugänglich aufgebaut und alles Irrationale darum eben unwirklich.

Nun habe ich bereits (wenn auch zähneknirschend) den Begriff des Unterbewussten gebraucht. Ich verwende ihn ausdrücklich nur aus einem Mangel an besseren Alternativen. Denn er stammt aus der Psychoanalyse, welche selber ein rationalistisches und damit unzureichendes Konzept ist. Die Seele zu analysieren ist müßig. Denn sicher lassen sich in ihr zwar gewisse Bereiche feststellen und auch manche Gesetzmäßigkeiten. Dies sollte uns jedoch nicht zu dem Irrtum verleiten, sie sei als Ganze gesehen nur das Produkt einer Synthese oder die Summe ihrer Teile. Auch hier will ich wieder den Begriff der Ehrfurcht ins Spiel bringen. Wenn Ehrfurcht in der Auseinandersetzung mit dem Makrokosmos, der objektiven Welt geboten ist, dann gilt dies nicht weniger für den Mikrokosmos, die innerlich-subjektive Welt. Denn auch diese ist transzendent. Sie verweist über sich selbst hinaus und ist im Kern geheimnisvoll. Und das ist auch meine Hauptkritik am Rationalismus, dass er als Haltung jeglicher Ehrfurcht entbehrt. Als Ausgeburt des Atheismus hat er keine Achtung vor Geheimnissen. Mysterien sind ihm verhasst, sind ihm nur lästige Hindernisse auf dem Weg zur absoluten Weltenträtselung. Dem atheistischen Rationalismus eignet daher eine geradezu unverschämt freche und penetrante Neugierde, die vor nichts und niemandem Halt macht. Und immer ist darin schon apriorisch jenes fatale Vorurteil enthalten, es habe ja ohnehin mit keiner Sache eine tiefere Bewandtnis. Der Lieblingssatz der Rationalisten lautet: "Das ist doch alles nur...". Nichts ist ihnen heilig. Ja der Begriff des Heiligen selbst ist ihnen ein Ärgernis, da er in ihren Augen Grenzen aufrichtet, wo natürlicherweise keine sind und damit der Totalherrschaft der Vernunft im Wege steht. Die Anmaßung hinter diesem Ansinnen, die Welt erschöpfend erklären oder die Psyche des Menschen entschlüsseln zu wollen ist grenzenlos. Der Turm zu Babel ist eine Sandburg dagegen.

Das ging gegen die Atheisten. Doch nun sind die Christen dran. Denn die sind leider in weiten Teilen ebenso mit dem Rationalismus infiziert, der, wie ich noch einmal betonen möchte, ein lupenrein atheistisches Konzept ist. Rationalismus, das ist die Grundannahme, dass die gesamte Wirklichkeit, die sichtbare und die unsichtbare Welt absolut logisch organisiert ist und dass Unwissenheit stets nur einen Mangel an Faktenwissen bedeutet. Diese fatale Auffassung findet sich sowohl im progressiven (also marxistisch verseuchten) als auch im konservativen Spektrum. Zu den konservativen Christen zähle ich hier katholische Dogmatiker ebenso wie protestantische Bibelfundamentalisten. Während eine Auseinandersetzung mit dem progressiven oder zeitgemäßen Christentum überflüssig ist, da dieses einen Widerspruch in sich selbst darstellt und schlechthin gar nicht wirklich christlich ist, gebietet es die Fairness, sich wenigstens mit den Irrtümern der Konservativen auseinander zu setzen, welche es wenigstens gut meinen.

In diesem Zusammenhange möchte ich ausserdem heraus stellen, dass der Hinweis auf den atheistischen Charakter des Rationalismus nicht einmal das stärkste Argument gegen diese Anschauung ist. Denn dadurch entsteht erst einmal nur die altbekannte Pattsituation, wo eine unbeweisbare These ("Gott gibt es!") gegen die andere ("Gott gibt es nicht!") steht. Der wohlmeinende Christ, der sich auf solche Spielchen einläßt, hat sich bereits ohne es auch nur zu merken vom Atheisten auf dessen ureigenstes Terrain locken lassen und gewährt ihm damit zumindest einen Heimvorteil. Tatsächlich ist nämlich die ewige Forderung nach Beweisen und Argumenten die typisch atheistisch-rationalistische Vorgehensweise und einem wirklich gläubigen Menschen nicht würdig. Wer sich nämlich einmal von dem Vorurteil befreit hat, die ganze Wirklichkeit müsse logisch aufgebaut sein, der wird sich erst klar darüber, dass der Widerspruch zwischen Vernunft und Glaube nur ein konstruierter ist und dass, während der Atheist irrtümlich die Vernunft auf seiner Seite wähnt, in jedem Falle aber eben nur diese, hier eben nicht nur These gegen These steht, sondern ein höchst eindimensionales Weltbild gegen eines, dass der Fülle und Ambivalenz unseres Bewusstseins viel eher Rechnung trägt und damit tendenziell überlegen ist. Eine solche Sichtweise hat sowohl die Erfahrung, als auch die Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite. Denn wer meint, in der Welt keine Beweise für Gott gefunden zu haben, gibt sich damit als ein Rationalist zu erkennen und damit als einer, der eine komplette Dimension des Daseins völlig ausblendet. Selbst wenn der Glaube am Ende nur Spekulation wäre: Die Erfahrungswelt des Gläubigen bliebe dabei doch die reichere.

Nun aber zu den Dogmatikern und Bibelexperten. Diese Menschen nehmen die Offenbarung, also etwas zutiefst irrationales und pressen sie in ein rationalistisches System. Damit tun sie dem Mysterium Gewalt an. Sicher ist Gott der Urheber der Vernunft und der Logik. Sicher ist es an sich nicht verkehrt, von dieser Vernunft Gebrauch zu machen. Nein, die Frage lautet bei solchen Dingen immer nur, wo die Vernunft am Platze ist und wo nicht. Die Erfahrung lehrt zweifelsfrei, dass es eine Wirklichkeit gibt, die der Vernunft nicht entgegen steht, sondern über diese hinaus geht. Und doch versuchen die Menschen zwanghaft neurotisch, selbst noch die übersinnlichen Erfahrungen in ein logisches System von Ursache und Wirkung hinein zu zwängen, weil sie ihnen Angst machen in ihrer Unergründlichkeit. 
Und wer von Gott spricht, darf vom Teufel nicht schweigen. Spätestens wenn der ins Spiel gebracht wird, hat es mit dem vernünftigen Glauben nämlich ein Ende. Jeder Versuch, das Böse als einen Mangel an Gutem auf rein ethischem Gebiet wegerklären zu wollen ist vollkommen lächerlich. Wenn es noch angehen mag, angesichts einer Welt des Leidens und der Ungerechtigkeit sich nicht zum Glauben an einen guten Gott durchringen zu können, so kann ich mit absoluter Gewissheit sagen, dass ein Mensch, der den Teufel leugnet, eindeutig in einer hermetisch abgeschlossenen Parallelwelt zuhause ist, die mit der wirklichen nicht mehr das Geringste zu tun hat. Mag Gott uns noch abstrakt erscheinen, der Teufel, als negative Transzendenz ist eine unübersehbare Realität. Das Prinzip von Gut und Böse geht weit über jede Ethik und damit auch wieder über den Bereich des Logischen hinaus. Moral ist höchstens ein Teilaspekt der Religion mit eher geringem Stellenwert. Wer für einen Moment seinen theologischen Elfenbeinturm verläßt und sich das Drama des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse in seiner unerhörten Brachialität vor Augen führt, der wird endlich zugeben müssen, dass wir es bei Gott und Teufel mit Kräften zu tun haben, die jenseits aller Logik stehen. Wir müssen deshalb Vernunft und Moral nicht suspendieren, aber sie endlich wieder auf den ihnen gebührenden Platz verweisen - die Nebenrolle im Weltendrama.