Dienstag, 4. April 2017

Rationalismus ist Atheismus

Wir befinden uns zweifellos in der Endzeit. Wer das nicht sieht, der kennt sich selber nicht. Die jüngere Geschichte hat eine Reihe von spirituellen Katastrophen gesehen, die jedes bisher dagewesene Ausmaß überstiegen. Unbemerkt hat der Feind die triumphalsten Siege errungen. Wir stehen nicht am Abgrund, wir befinden uns im freien Fall. Während die Dummköpfe noch das christliche Abendland oder die liberale Gesellschaft verteidigen wollen und die Schwachsinnigen optimistisch bleiben hat die Hölle längst ihre Schleusen geöffnet. Die Findigeren unter den Narren wollen die leere Büchse der Pandora schließen.

Stell dir vor es ist Krieg, und keiner bemerkt es.

Als Jesus seiner Kirche prophezeite, die Pforten der Hölle würden sie nicht überwältigen, welche Kirche meinte er da? Die Katholische? Die Orthodoxie? Oder eine abstrakte Gesamtheit aller Christen?

Wenn Christus im Tode siegreich war, warum sollte seine Kirche der Vernichtung entgehen?

Gott, Teufel, Himmel, Hölle, das sind Realitäten. Auf welche Weise genau, das muß uns nicht kümmern. All das ist unendlich bedeutsam, auf die eine oder andere Weise.


Diese kleine Meditation sollte zur Einstimmung auf den Themenkomplex der kommenden Tage dienen. Selbstredend lässt sie den Leser ratlos zurück. Das macht aber nichts. Es war von mir nämlich so beabsichtigt. Denn eben dadurch konnte ich ihn auf einen schweren Fehler aufmerksam machen - auf die Eindimensionalität seines Denkens. Einfacher gesagt: Das erste Glied der langen Kette von Irrtümern, in denen ALLE modernen Menschen befangen sind, heißt Rationalismus. Ja, lieber Leser, du konntest die Meditation nicht verstehen, weil es da gar nichts zu verstehen gab. Zumindest nicht in dem Sinne, wie du es erwartet hast. Bilde dir nur nicht ein, frei von Vorurteilen zu sein! Das sind höchstens Kleinkinder. Und würden sie nicht mit der Zeit zu Vorurteilen gelangen, dann blieben sie immer Kinder. Nein, lieber Leser, es ist einem erwachsenen Menschen nicht möglich, sich irgend einem Text völlig unvoreingenommen zu nähern. Dies liegt in der Natur der Sprache begründet. Denn die ist so ambivalent wie der Mensch selber. Aus ein- und demselben Wortschatz lassen sich Lieder und Traktate, Romane und Protokolle, Gebete und Kommandos formen - und niemand nimmt Anstoß daran. Nun sage mir, geschätzter Leser: Bildet die Sprache Wirklichkeit ab, oder konstituiert sie selber welche?
Ganz gleich, zu welcher Antwort du gelangen magst, muss du doch zugeben, dass Wirklichkeit, Wahrheit, Realität - dass das alles nicht so eindeutig ist. 
Sprache ist Denken, das weißt du sicher. Und wenn unsere Sprache ambivalent ist, so ist es auch unser Denken. Ob die Wirklichkeit nun auch ambivalent ist, das zu beurteilen ist unmöglich. Nur aus Gottes Perspektive ist das möglich. Gäbe es einen perfekten Intellekt, dem die Gesamtheit aller Fakten bewusst ist, der aber nicht Gott ist, so müsste dieser angesichts dieser Frage genau so kapitulieren wie du und ich.
Hüte dich darum vor jeder Einseitigkeit. Sage nicht: "Dies ist schwarz und jenes weiß". Sage aber auch nicht: "Alles ist relativ". Du magst über das Ganze sprechen und denken, soviel es dir beliebt, doch versteige dich nicht dazu, dabei über Thesen und Spekulationen hinaus zu gehen. Dies ist kein Relativismus und keine Denkfaulheit, sondern Ausdruck von Ehrfurcht.

Da kam ein frommer Christ zu mir und zitierte aus der Bibel. Er sagte viel Gutes und Richtiges. Dann legte er mir die Bibel aus. Offenbar war er der weiseste Mensch aller Zeiten, denn anders als alle vor ihm hatte er den letzten Sinn der Schrift begriffen. Er sagte: Dem Menschen steht es nicht zu, die Fülle der Erkenntnis zu erlangen. Was er aber für dieses Leben zu wissen braucht, das hat Gott ihm in der Schrift mitgeteilt. Da fragte ich ihn, welche Übersetzung der Bibel die Richtige sei. Er nannte mir eine bestimmte Übersetzung, die besonders nah am Urtext sei und weder katholisch noch evangelisch verfremdet. Ich las sie und verstand nichts. Also ging ich wieder zu dem Bibelkundigen und bat ihn, mir den Sinn der Schrift zu erschließen. Schroff fuhr er mich an, was es da zu erschließen gäbe? Ich müsse doch einfach nur lesen, was dasteht und danach handeln. Ich wollte wissen, warum ein so grosser Teil der Schrift gar keine Handlungsanweisungen enthält, wenn es doch nur darum ging. Er meinte, das richtige Handeln setze die Erkenntnis der Wahrheit voraus. Aus dieser Antwort lernte ich, dass sich die Weisheit, die dem Manne zweifellos zu eigen war, nicht nur nicht in Worte fassen ließ, nein, er war sich seiner eigenen Weisheit nicht einmal selber bewusst. Deshalb setzte er sie auch bei seinen Zuhörern voraus. Das war ein Mann, der die Wahrheit besaß, doch weitergeben konnte er sie nicht, sondern nur den Fischen predigen.
Darum wandte ich mich an einen anderen Heiligen, der ebenso weise war, jedoch auf eine andere Art. Ich erzählte ihm von dem ersten Heiligen, den er auch kannte und schätzte und fragte ihn, warum dieser mir nichts beibringen konnte. "Er hat nichts falsch gemacht", sagte er, "und du ebensowenig. Nicht der Verstand erschließt uns den Sinn der Schrift, sondern der Heilige Geist. Derselbe ist es auch, der uns nach der Wahrheit handeln lässt. Dieser Mann ist vom Heiligen Geist erfüllt und weiß es nicht. Du aber hast weder den Heiligen Geist, noch kennst du ihn. Lies also in der Schrift und tue was recht ist in den Augen Gottes, dann wird der Geist über dich kommen."
Ich beschloss, dass der Mann verrückt sei. Darum fragte ich ihn höflich: "Sicher willst du darauf hinaus, dass mein Verstand mir den Heiligen Geist ersetzen soll, solange ich diesen noch nicht habe?"- "Nein mein Sohn. Nichts kann den Heiligen Geist ersetzen, schon gar nicht der Verstand. Ich sagte dir doch bereits, dass du die Schrift nur lesen und befolgen musst, um den Geist zu erlangen." Ich beschloss, dass der Mann wirklich verrückt sei. Darum fragte ich ihn höflich: "Ich beginne zu begreifen. Du meinst wohl, dass ich den Heiligen Geist bereits in mir habe und dass die Lektüre der Schrift ihn mir ins Bewusstsein bringen wird, wie wenn man sich an etwas erinnert." - "Nein mein Sohn, du versuchst es immer noch mit dem Verstand. Was für die Schrift gilt, gilt auch für meine Worte. Nur der Heilige Geist kann sie dir erschließen." Vielleicht war auch ich der Verrückte. In jedem Falle lief es darauf hinaus, dass einer von uns beiden verrückt war. Etwas weniger höflich fragte ich ein letztes mal zurück: "Wenn das so ist, warum sprichst du dann überhaupt zu mir?!" - "Gehe in Frieden, mein Sohn."

Diese kleine Kurzgeschichte hat hoffentlich ihren Zweck erfüllt und deine Verwirrung noch gesteigert, lieber Leser. Sei versichert, dass auch dies in meiner Absicht lag. Vielleicht kennst du diese Art von Träumen, wo man mit einem unlösbaren Rätsel befasst ist, einem gordischen Knoten, einer Quadratur des Kreises, der Entschlüsselung von Pi. Vielleicht auch nicht. Ich träume dergleichen häufiger.
Was meinst du nun, woher diese Verwirrung rührt. Ist es weil ich Unsinn schreibe und das Offensichtliche absichtig verdunkle, oder liegt es an dir? Geht es dir am Ende wie dem Ich-Erzähler meiner kurzen Geschichte, der sich nicht entscheiden konnte, wer der Verrückte ist?
Was ist überhaupt ein Verrückter? Das ist ein Mensch, der seine Wahrnehmung mit der Wirklichkeit verwechselt. Die meisten dieser Verrückten bleiben unerkannt, weil ihre Wahnwelt eine oberflächliche Ähnlichkeit mit der tatsächlichen Welt besitzt. Sachlich betrachtet reicht das menschliche Bewusstsein im besten Falle dazu aus, einen Ausschnitt der Wirklichkeit zu erfassen, nie aber das Ganze. Tatsächlich irrt noch der Klügste sich jeden Tag. Den Verrückten unterscheiden also nicht so sehr seine schweren Irrtümer von den "Vernünftigen", sondern dass er sie für die Wahrheit hält. Wer ist dann aber vernünftig? Zum Beispiel Sokrates, der seine totale Unwissenheit einsah. Und der war ganz sicher kein Relativist. Denn es ist zwar möglich, Wissen über alles Mögliche zu erlangen. Und das hätte auch Sokrates nicht bestritten. Doch da unser Bewusstsein wie ein Brennglas immer nur Ausschnitte der Wirklichkeit fokussieren kann und noch dazu in dem Maße, wie wir um Exaktheit bemüht sind, immer mehr den Blick verengen muss, ist jedes Wissen relativ. Wissen im strengen Sinne gibt es nicht. 
Deshalb ist unser Verstand noch lange nicht nutzlos. Die Frage ist vielmehr, wozu er taugt und wozu nicht. Ich behaupte dass er ein Werkzeug ist. Ein wichtiges meinetwegen, aber eben doch nur ein Werkzeug. Denn die Welt des logisch-Sachlichen ist zwar real, doch sie ist mit der Wirklichkeit an sich durchaus nicht identisch. Sie ist nur eine Dimension von mehreren. Deshalb muss jeder verzweifeln oder verrückt werden, der nach der Wahrheit sucht und sich dabei einzig auf seinen Verstand stützt. Die wohl nützlichste und weitreichendste Funktion des Verstandes ist meines Erachtens, dass er Grenzen ausloten kann. Grenzen in einem universal-metaphysischen Sinne, wohlgemerkt. Das Objekt, das ist die Wirklichkeit, das Ganze, das Sein. Das Subjekt ist das menschliche Bewusstsein, von dem der Verstand ein Teil ist. Und wenn er auch nicht fähig ist, das Ganze zu erfassen, oder auch nur erschöpfend zu beschreiben (bekanntlich gibt es Grenzen des Sagbaren), so ist er doch im Idealfall in der Lage, die Konturen dieses grossen Unbekannten nachzuzeichnen. Wie der Verstand ein Organ des Bewusstseins ist, so ist die Sprache ein Organ des Verstandes (jedoch auch dies wiederum nicht ausschließlich!). Im Umgang mit der Wirklichkeit destilliert nun die Sprache ein Bild derselben, mit dem das Bewusstsein umgehen kann. Nichts von dem, was die Sinne an unser Bewusstsein tragen, ist ungefiltert. Noch der trivialste Gedanke stellt eine Vereinfachung eines komplizierten Sachverhaltes dar. Das hat damit zu tun, dass das Bewusstsein den am höchsten entwickelten Aspekt des Menschlichen darstellt, der durch die schwächeren Glieder der Person bedingt ist. Dieses Bewusstsein baut stufenweise auf einem tierischen Fundament auf und ist in wechselseitiger Beziehung auf das Engste mit diesem verwoben. Krankheiten des Körpers (den wir mit den Tieren gemein haben) können das Bewusstsein verändern (ebenso chemische Substanzen). Genau so können jedoch Eintrübungen und Belastungen des Bewusstseins den Körper krank machen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die tierisch-körperliche Ebene gleichzeitig Voraussetzung für die geistige ist und diese aber auch bedingt und damit beschränkt. Das Bewusstsein greift in die Unendlichkeit aus, doch der Körper mit seiner Tierseele hält es zurück. Tatsächlich ist es sogar möglich, jenen Filter unseres Bewusstseins vorübergehend durch bestimmte Drogen oder Meditationstechniken und dergleichen aufzuheben. Das kann nun dazu führen, dass ein Mensch für immer den Verstand verliert, aus dem einfachen Grunde, dass seine schwache Tierseele der plötzlichen Flut an Sinneseindrücken und Gedanken nicht gewachsen ist und kollabiert. Die Wirklichkeit ist in ihrer Gänze mehr als ein einzelner Mensch ertragen kann.
Was tut nun also der Verstand angesichts einer so überwältigenden Mannigfaltigkeit? Er fertigt sprichwörtlich eine Karte an, und zwar mittels der Sprache. Und genau so, wie selbst zwischen Google Earth (geschweige denn einer herkömmlichen Weltkarte) und der echten Welt keine Verwechslungsgefahr besteht, sollte auch niemand auf den Irrtum verfallen, das was er wahrnimmt, sei die Wirklichkeit. Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen des Verstandes.

Jedoch sind die Grenzen des Verstandes nicht diejenigen der Sprache.

Denn wie ich oben angedeutet habe, ist die Sprache nicht nur ein Organ des Verstandes und der Verstand nicht identisch mit dem Bewusstsein. 

Für das, worüber ich reden möchte gute Begriffe zu finden, stellt mich vor ein Problem. Denn alle mir bekannten Begriffe dafür stammen von Rationalisten, deren Weltsicht ich soeben als pure Spekulation widerlegt habe. Genau genommen handelt es sich dabei auch nicht um Spekulation, sondern um das Wunschdenken derer, die sich durch die unfassbare Wirklichkeit überfordert fühlen. Anstatt nun wie Sokrates ihre Ratlosigkeit einzugestehen, beharren sie auf der Richtigkeit ihres zweidimensionalen Denkens. Damit handelt es sich um Verrückte, was insofern lustig ist, als ja gerade sie meinen, die Vernunft für sich gepachtet zu haben. Andererseits besitzen sie leider tatsächlich seit der Aufklärung die Deutungshohheit in allen Fragen. Deshalb ist die landläufige Vorstellung von dem, was Verrücktheit ausmacht selbst schon ein Konstrukt von Verrückten. Denn ein vollständig irrationaler Mensch muss nicht zwangsläufig weniger von der Realität kennen, als ein gefühlloser Rationalist. Jemand der vollständig den Verstand verloren hat, befindet sich buchstäblich in einer anderen Welt, so viel ist richtig. Doch wer kann bitte festlegen, dass diese Welt, in der der Wahnsinnige lebt, mehr oder weniger real ist, als die eigene positivistische? Hierbei ist es jedoch wichtig, zwischen Wahnsinn und Schwachsinn zu unterscheiden. Mit Intelligenzminderung hat Verrücktheit nämlich wenig zu tun. Den Verstand zu verlieren heißt eigentlich, dass das Unterbewusste, welches üblicherweise vom Verstand unterdrückt wird, nun seinerseits diesen unterdrückt. Nun aber dem positivistischen Rationalisten ein grösseres Verständnis von der Wirklichkeit zu unterstellen, setzt bereits ein Vorurteil über das Wesen derselben voraus. In diesem Falle nimmt man dann an, die Wirklichkeit sei vollständig logisch und dem Verstande zugänglich aufgebaut und alles Irrationale darum eben unwirklich.

Nun habe ich bereits (wenn auch zähneknirschend) den Begriff des Unterbewussten gebraucht. Ich verwende ihn ausdrücklich nur aus einem Mangel an besseren Alternativen. Denn er stammt aus der Psychoanalyse, welche selber ein rationalistisches und damit unzureichendes Konzept ist. Die Seele zu analysieren ist müßig. Denn sicher lassen sich in ihr zwar gewisse Bereiche feststellen und auch manche Gesetzmäßigkeiten. Dies sollte uns jedoch nicht zu dem Irrtum verleiten, sie sei als Ganze gesehen nur das Produkt einer Synthese oder die Summe ihrer Teile. Auch hier will ich wieder den Begriff der Ehrfurcht ins Spiel bringen. Wenn Ehrfurcht in der Auseinandersetzung mit dem Makrokosmos, der objektiven Welt geboten ist, dann gilt dies nicht weniger für den Mikrokosmos, die innerlich-subjektive Welt. Denn auch diese ist transzendent. Sie verweist über sich selbst hinaus und ist im Kern geheimnisvoll. Und das ist auch meine Hauptkritik am Rationalismus, dass er als Haltung jeglicher Ehrfurcht entbehrt. Als Ausgeburt des Atheismus hat er keine Achtung vor Geheimnissen. Mysterien sind ihm verhasst, sind ihm nur lästige Hindernisse auf dem Weg zur absoluten Weltenträtselung. Dem atheistischen Rationalismus eignet daher eine geradezu unverschämt freche und penetrante Neugierde, die vor nichts und niemandem Halt macht. Und immer ist darin schon apriorisch jenes fatale Vorurteil enthalten, es habe ja ohnehin mit keiner Sache eine tiefere Bewandtnis. Der Lieblingssatz der Rationalisten lautet: "Das ist doch alles nur...". Nichts ist ihnen heilig. Ja der Begriff des Heiligen selbst ist ihnen ein Ärgernis, da er in ihren Augen Grenzen aufrichtet, wo natürlicherweise keine sind und damit der Totalherrschaft der Vernunft im Wege steht. Die Anmaßung hinter diesem Ansinnen, die Welt erschöpfend erklären oder die Psyche des Menschen entschlüsseln zu wollen ist grenzenlos. Der Turm zu Babel ist eine Sandburg dagegen.

Das ging gegen die Atheisten. Doch nun sind die Christen dran. Denn die sind leider in weiten Teilen ebenso mit dem Rationalismus infiziert, der, wie ich noch einmal betonen möchte, ein lupenrein atheistisches Konzept ist. Rationalismus, das ist die Grundannahme, dass die gesamte Wirklichkeit, die sichtbare und die unsichtbare Welt absolut logisch organisiert ist und dass Unwissenheit stets nur einen Mangel an Faktenwissen bedeutet. Diese fatale Auffassung findet sich sowohl im progressiven (also marxistisch verseuchten) als auch im konservativen Spektrum. Zu den konservativen Christen zähle ich hier katholische Dogmatiker ebenso wie protestantische Bibelfundamentalisten. Während eine Auseinandersetzung mit dem progressiven oder zeitgemäßen Christentum überflüssig ist, da dieses einen Widerspruch in sich selbst darstellt und schlechthin gar nicht wirklich christlich ist, gebietet es die Fairness, sich wenigstens mit den Irrtümern der Konservativen auseinander zu setzen, welche es wenigstens gut meinen.

In diesem Zusammenhange möchte ich ausserdem heraus stellen, dass der Hinweis auf den atheistischen Charakter des Rationalismus nicht einmal das stärkste Argument gegen diese Anschauung ist. Denn dadurch entsteht erst einmal nur die altbekannte Pattsituation, wo eine unbeweisbare These ("Gott gibt es!") gegen die andere ("Gott gibt es nicht!") steht. Der wohlmeinende Christ, der sich auf solche Spielchen einläßt, hat sich bereits ohne es auch nur zu merken vom Atheisten auf dessen ureigenstes Terrain locken lassen und gewährt ihm damit zumindest einen Heimvorteil. Tatsächlich ist nämlich die ewige Forderung nach Beweisen und Argumenten die typisch atheistisch-rationalistische Vorgehensweise und einem wirklich gläubigen Menschen nicht würdig. Wer sich nämlich einmal von dem Vorurteil befreit hat, die ganze Wirklichkeit müsse logisch aufgebaut sein, der wird sich erst klar darüber, dass der Widerspruch zwischen Vernunft und Glaube nur ein konstruierter ist und dass, während der Atheist irrtümlich die Vernunft auf seiner Seite wähnt, in jedem Falle aber eben nur diese, hier eben nicht nur These gegen These steht, sondern ein höchst eindimensionales Weltbild gegen eines, dass der Fülle und Ambivalenz unseres Bewusstseins viel eher Rechnung trägt und damit tendenziell überlegen ist. Eine solche Sichtweise hat sowohl die Erfahrung, als auch die Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite. Denn wer meint, in der Welt keine Beweise für Gott gefunden zu haben, gibt sich damit als ein Rationalist zu erkennen und damit als einer, der eine komplette Dimension des Daseins völlig ausblendet. Selbst wenn der Glaube am Ende nur Spekulation wäre: Die Erfahrungswelt des Gläubigen bliebe dabei doch die reichere.

Nun aber zu den Dogmatikern und Bibelexperten. Diese Menschen nehmen die Offenbarung, also etwas zutiefst irrationales und pressen sie in ein rationalistisches System. Damit tun sie dem Mysterium Gewalt an. Sicher ist Gott der Urheber der Vernunft und der Logik. Sicher ist es an sich nicht verkehrt, von dieser Vernunft Gebrauch zu machen. Nein, die Frage lautet bei solchen Dingen immer nur, wo die Vernunft am Platze ist und wo nicht. Die Erfahrung lehrt zweifelsfrei, dass es eine Wirklichkeit gibt, die der Vernunft nicht entgegen steht, sondern über diese hinaus geht. Und doch versuchen die Menschen zwanghaft neurotisch, selbst noch die übersinnlichen Erfahrungen in ein logisches System von Ursache und Wirkung hinein zu zwängen, weil sie ihnen Angst machen in ihrer Unergründlichkeit. 
Und wer von Gott spricht, darf vom Teufel nicht schweigen. Spätestens wenn der ins Spiel gebracht wird, hat es mit dem vernünftigen Glauben nämlich ein Ende. Jeder Versuch, das Böse als einen Mangel an Gutem auf rein ethischem Gebiet wegerklären zu wollen ist vollkommen lächerlich. Wenn es noch angehen mag, angesichts einer Welt des Leidens und der Ungerechtigkeit sich nicht zum Glauben an einen guten Gott durchringen zu können, so kann ich mit absoluter Gewissheit sagen, dass ein Mensch, der den Teufel leugnet, eindeutig in einer hermetisch abgeschlossenen Parallelwelt zuhause ist, die mit der wirklichen nicht mehr das Geringste zu tun hat. Mag Gott uns noch abstrakt erscheinen, der Teufel, als negative Transzendenz ist eine unübersehbare Realität. Das Prinzip von Gut und Böse geht weit über jede Ethik und damit auch wieder über den Bereich des Logischen hinaus. Moral ist höchstens ein Teilaspekt der Religion mit eher geringem Stellenwert. Wer für einen Moment seinen theologischen Elfenbeinturm verläßt und sich das Drama des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse in seiner unerhörten Brachialität vor Augen führt, der wird endlich zugeben müssen, dass wir es bei Gott und Teufel mit Kräften zu tun haben, die jenseits aller Logik stehen. Wir müssen deshalb Vernunft und Moral nicht suspendieren, aber sie endlich wieder auf den ihnen gebührenden Platz verweisen - die Nebenrolle im Weltendrama.


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