Mittwoch, 4. Mai 2016

Gerechtigkeit oder Gnade?

Eben ist mir ein Zitat des heiligen Pfarrers von Ars unter die Augen gekommen: "Unsere Sünden sind nichts als ein Sandkorn vor dem Berg der Gnade Gottes"

Gerne würde ich solches glauben können. Doch kann ich nicht anders, als jeden solchen Satz sogleich philosophisch zu sezieren bis nichts mehr davon übrig bleibt. Denn worin besteht denn diese Gnade überhaupt? Heißt das jetzt, dass am Ende gewiss alles gut wird, egal was ich anstelle? Ja wohl eher nicht, würde ich sagen. Worin besteht sie denn aber dann? Ich meine es ist ja nicht gerade so dass Gottes Gnade und Vergebung voraussetzungslos wären! Man muss zum Beispiel ehrlich bereuen. Wie kann ich aber etwas bereuen das ich wie ferngesteuert tat, ohne mich überhaupt dagegen entschieden haben zu können? Und wie soll ich einen Vorsatz zur Besserung aufrecht erhalten wenn ich bereits tausend mal vorher mit diesem Vorsatz gescheitert bin und also eingesehen habe, dass ich es nicht besser kann? Man kann sich doch nicht etwas vornehmen von dem man absolut überzeugt ist dass man es nicht kann.
Und schließlich ist als wichtigste Bedingung die Gnade Gottes an den festen Glauben an Ihn geknüpft. Wie kann Gott aber jenen begnadigen, der außerstande ist, an Ihn zu glauben?

Man stelle sich einmal vor, ein Mensch tritt in den Beichtstuhl und bekennt "Ich glaube nicht an Gott". Der Priester kann ihn doch nicht etwa von dieser Schuld frei sprechen? Ich meine entweder er kann nicht an Gott glauben und darum auch nicht gerettet werden, oder wir unterstellen, wenn wir daran festhalten wollen, dass alle gerettet werden können, dass jeder der von sich sagt, er könne nicht glauben, eigentlich nur nicht glauben will!
Sollte es aber möglich sein, dass ich selber mich über meine eigenen Absichten und Motive, und über mein Können und Wollen so entsetzlich täuschen kann, worüber könnte ich mir dann eigentlich überhaupt noch sicher sein? Über gar nichts! Also im Umkehrschluss auch nicht mehr über Gottes Existenz.

Egal wie wir es drehen und wenden, ich sehe nicht, auf welche Weise irgend jemand ein Vorwurf zu machen wäre der nicht an Gott glaubt, außer er sagt von sich selbst, dass er nicht glauben will und zwar aus bösem Willen. Aber das tut ja niemand. Ich meine wenn ich mit einem Atheisten rede, dann nennt er mir tausend Gründe für seinen Nichtglauben, darunter nicht selten die edelsten Motive. Er rechtfertigt sich! Wäre es wirklich so selbstverständlich nicht zu glauben und so weit hergeholt es doch zu tun, warum sollte igendeiner dieser Gottesleugner sich die Mühe machen die kompliziertesten Rechtfertigungen für seinen Unglauben zu bemühen?

Wenn es aber so wäre dass ein Mensch gar nicht willentlich etwas böses verfolgen kann, dann müssten wir entweder annehmen dass es keine Hölle gibt, oder dass jeder dort hinein geworfen werden könnte und sei sein Gewissen noch so rein.
Gibt es aber keine Hölle, so ist die ganze heilige Schrift ein Märchenbuch, bei dem sich jeder gerade nach Gutdünken heraus suchen kann was er glauben mag und was nicht. Gibt es sie aber, dann müssen wir zugeben, dass Gottes Gnade sehr wohl Grenzen kennt, zum Beispiel die, dass Er Menschen verurteilen kann, die sich keiner Schuld bewusst sind, die also mindestens nicht wissentlich böse waren.
Und wenn das so ist, dann könnte potentiell jeder in die Hölle kommen, weil unser Gewissen kein Maßstab für unsere Schuld oder Unschuld mehr sein könnte.

Entweder ist Gottes Gnade jetzt grenzenlos, oder es gibt die Hölle. Beides schließt sich unvermeidlich gegenseitig aus. Man kann nicht einfach sagen: "Gottes Gnade ist grenzenlos - aber nur für die, die es verdienen/sich bekehren/an Ihn glauben" Denn damit würde man Seiner Gnade ja schon wieder Grenzen setzen.

Zugegeben vergleicht der Heilige Pfarrer Gottes Gnade nun nicht mit dem Firmament, sondern nur mit einem Berg, der zwar groß, aber eben doch nicht grenzenlos ist.

Aber wenn keine Sünde von ihrem Ausmaß her auch nur einen Bruchteil der Größe dieses Gnadenberges erreichen könnte, wie infam sie auch sei, dann wäre diese Gnade zumindest aus menschlicher Perspektive im Endeffekt eben doch grenzenlos, weil es für uns unmöglich wäre, sie durch Bosheit zu überbieten. Und dann wäre die Hölle ja doch wieder leer.

Doch der Heilige Pfarrer wusste ja durchaus um die Realität der Hölle. Wie also kann ein Mann der die Hölle gesehen hat noch in solchen Worten von der Gnade Gottes sprechen? Wie kann er sagen: Eure Sünden sind Sandkörner gegen den Berg von Gottes Gnade - aber die ewige Verdammnis kann euch trotzdem drohen? Als einziger Ausweg aus diesem Dilemma verbliebe doch wohl nur noch die Annahme eines anderen Kriteriums als der Schwere unserer Schuld für Gottes Strafe oder Begnadigung. Doch wäre das dann noch gerecht zu nennen, wenn es möglich wäre, dass der 20 fache Frauenmörder ins Elysium eingeht weil er sich auf dem Sterbebett bekehrt, der geizige Buchhalter aber den Dämonen ausgeliefert wird, weil er sein Vermögen nicht dem Waisenheim vermacht?

Letztlich müssen wir anerkennen, dass das letzte Wort bei Gott liegt und es uns nicht zusteht irgend etwas wesentliches über Seine Vorsehung zu erfahren. Wir sollten dann aber billiger Weise auch aufhören, zu sagen, wie unwahrscheinlich gnädig Gott ist, denn um das Ausmaß Seiner Gnade einschätzen zu können müssten wir auch um deren Grenzen wissen und das tun wir nicht.

Am Schluss wissen wir überhaupt nichts.

1 Kommentar:

  1. Gottes Gnade geht sogar so weit, dass er dich wegen dieser Heresie nicht sofort auf der Stelle von einem Blitz hat treffen lassen. Wenn es die griechischen/römischen Götter geben würde, hatten sie dir längst einen verpasst!

    Beim Glauben geht es um letzte Fragen, die sich dem Menschen hinter jeder Einzelperspektive stellen. Die Frage, warum es überhaupt etwas gibt und nicht vielmehr nichts oder

    Sehr geehrter Herr Johannes
    Sie stehen im Wiederspruch zu sich selbst! Bitte lesen Sie doch einfach mal diese Passage aus einem Blogeintrag der Herrn Hartl:
    "Noch bevor ein Mensch explizit über die Existenz eines Gottes nachzudenken beginnt, begegnet er in sich einer grundsätzlichen Tatsache: er ist an der Wahrheit interessiert. Zwei Menschen streiten. Wer von beiden hat recht? Beide behaupten, ein Ereignis exakt wieder zu geben. Doch welche Darstellung ist wirklich wahr? Der Mensch trägt in sich Sehnsucht nach Wahrheit und eine Hoffnung auf echte Wahrheit. Für die Wahrheit sind Menschen bereit zu sterben. Für die Gerechtigkeit oder ein hohes Ideal zu leiden oder sein Leben zu opfern, das scheint den Menschen in jeder Kultur und jeder Epoche als beachtlich und der Bewunderung würdig. Selbst Atheisten stimmen wohl darin überein, dass heroische Verteidigung des Rechtes eines Kindes auch dann absolut wertvoll und zutiefst bedeutsam ist, wenn meine Verteidigung im Letzten dann doch scheitert.
    (Was jetzt kommt ist ganz essentiell!) Diese Sehnsucht des Menschen nach Wahrheit und Gerechtigkeit ist eine Farce, wenn es nur das materielle Leben im engen Rahmen unserer Lebensjahrzehnte gibt. Die Überzeugung des Menschen, dass es aus sich selbst heraus falsch ist, einen anderen Menschen zu quälen oder für seine Zwecke zu missbrauchen, ist eine überflüssige Fata-Morgana, wenn es keinen Gott gibt. (Wichtige Erkenntnis! Denn wieso sollte ein Mörder 20 Frauen bewusst oder gar zum Spaß töten, wenn er der Auffassung ist, das es keinen Gott gibt? Welche Schuld trifft Ihn? Wenn er damit sein größtmögliches Glück gesucht und gefunden hat, dann hat er wie alle anderen ebenfalls nur nach Glück gestrebt. Ehrenwerter Johannes, sie haben doch am Anfang Ihres Textes geschrieben, wir können uns jedoch über nichts im Klaren sein, auch nicht über Gott. Vielleicht wollte dieser "Frauenmörder" nur seinen Spaß und hat nach einer Vergewaltigung keine weitere Möglichkeit gesehen als diese umzubringen. Wenn eir doch nichts wissen, dann hat sich diese Person dazu entschlossen, nicht an die Existenz Gottes zu Glauben. Denn ein Gewissen hat ausnahmslos jeder Mensch! Sie auch und das ist es was viele stört und was der moderne, westliche Mensch versucht gut wie möglich zu übergehen. Man merkt es allein schon daran, das Sie ständig versuchen den Unglauben zu Rechtfertigen. Alleine Schon die Tatsache, sich zu entscheiden welchen Argumenten man mehr glauben schenkt, ist bereits eine Entscheidung. Und Gott wahrt uns ausdrücklich davor, wie mächtig Bilder ubd Worte auf unser Denken (Gehirn) Einfluss nehmen können. Der Film Inception, verdeutlicht dies sehr anschaulich.)
    An dieser Stelle wieder zurück zum Zitat von Herrn Hartl:
    "Doch wenn es keinen Gott gibt, lässt sich nicht erklären, warum wir an den unverbrüchlichen Maßstäben von Wahrheit, Gerechtigkeit und Toleranz festhalten wollen. Gehen wir noch einen Schritt weiter. Nicht wenige Menschen haben Mühe, an einen Gott zu glauben, weil sie Unrecht in der Welt sehen. Wenn es einen Gott gäbe, dann müsste die Welt doch gerechter aussehen. Nun ist das Leiden und die Not in der Welt eine bleibende Herausforderung an den Menschen (und eine, die den Glauben an Gott zwar herausfordert und mitunter schwierig macht, doch ohne Glauben an Gott nur in die Verdrängung oder die Bitterkeit führen kann!). "

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