Donnerstag, 24. Dezember 2015

... und Friede auf Erden

Weihnachten - das letzte große Fest des ehemaligen Abendlandes. Für viele noch heute der unbestrittene Höhepunkt des Jahres. Für manchen Einsamen der schwärzeste Tag des Jahres. In einer Zeit, wo sonst kein noch so uralter Brauch vor dem allgemeinen kulturellen Verfall verschont bleibt, wo noch die ehrwürdigsten Traditionen für nichts geachtet und wegrationalisiert werden, da hält sich dieser eine unter allen Bräuchen am hartnäckigsten. Wohnt etwa dem kitschigen Winter- und Geschenkefest, das der widerwärtige Kapitalismus daraus gemacht hat eine solche Anziehungskraft inne? Oder zehrt nicht selbst die lächerliche Figur des Weihnachtsmannes noch von der Faszination des Christkindes, das er ersetzt hat? Ich glaube, die ungebrochene Popularität eines wenn auch unendlich verfremdeten Weihnachtsfestes erklärt sich daraus, dass es eine Ursehnsucht in den Menschen anspricht. Und dies ist die Sehnsucht nach einer heilen Welt. Doch was dies über den Menschen aussagt hängt nun ganz davon ab, was man unter einer heilen Welt versteht. Wenn ich auch sonst an kaum noch etwas glaube, am allerwenigsten an das Gute im Menschen, dann weigere ich mich doch, ihn an der populären Vorstellung einer heilen Welt zu messen, die nämlich bei genauerem Hinsehen äußerst kümmerlich und geistlos ist. Heile Welt! Woran liegt es nur, dass man dieses Wort eigentlich gar nicht ohne ironischen, ja verächtlichen Unterton gebrauchen kann. Genau den möchte ich hier nämlich vermeiden und es ausnahmsweise einmal ganz ernsthaft gebrauchen. Denn wenn man einmal ernst macht mit dem Wunsch nach einer heilen Welt, kommt vielleicht hinter all der sentimentalen Naivität und den phantasielosen politischen Utopien etwas sehr edles und würdiges zum Vorschein: Der Wunsch nach einer heiligen Welt. Hier gilt es nun erst recht, begriffliche Verwirrungen zu vermeiden, denn wenn schon die heile Welt sehr missverständlich ist, dann umso mehr die heilige. Denn vom Heiligen hat man ja heute im allgemeinen gar keine Vorstellung mehr. Der Begriff schreckt sogar eher ab. Heilig, das klingt nach großer Strenge, Übermenschlichkeit, weltferner Erhabenheit, insgesamt also vor allen Dingen nach Weltfremdheit. Doch gerade das macht das Stichwort von der heiligen Welt so interessant, seine scheinbare Widersprüchlichkeit. Nicht nur kirchenferne Menschen können schwer einen Vereinbarkeit zwischen Heiligkeit und der Welt ausmachen. So verbannen sie das Heilige ins Reich der Phantasie und positionieren sich auf der Seite der Welt. So manchem religiösen Eiferer ergeht es gar nicht anders, nur dass er eben auf der anderen Seite steht und der Welt den Krieg erklärt, anstatt dem Heiligen.
Doch dann meldet sich aus den tiefsten Tiefen des Unterbewussten nun dieses merkwürdige Verlangen nach einer heilen, oder heiligen Welt. Wie kann etwas so paradoxes überhaupt eine Anziehungskraft entfalten? Vielleicht ergibt sich der Widerspruch nur daraus, dass man sowohl von der Welt, als auch vom Heiligen eine völlig falsche Vorstellung hat. Wenn die Welt, so wie wir sie vorfinden schon die ganze Wahrheit wäre, warum sollten wir uns dann noch weiter daran stören, dass sie nicht perfekt ist? Woher nehmen wir überhaupt die Vorstellung von einer perfekten Welt, wenn es so etwas erstens nicht gibt und somit folglich auch niemand jemals die Erfahrung einer solchen Welt gemacht haben kann? Und wenn das Heilige in unversöhnlicher Feindschaft zur Welt steht, warum gibt es die Welt dann überhaupt? Kann etwa Gott etwas in sich schlechtes hervorbringen? Heile Welt - Heilige Welt... Ein kosmischer Friede. Friede nicht mehr nur als Abwesenheit von Krieg, Gewalt und Konflikten, sondern als Friede zwischen der Welt und Gott! Was für eine süße Vorstellung! Wer Gott hasst und nur die Welt oder die Menschen oder sonst etwas liebt, wird immer darunter zu leiden haben, dass genau die Abwesenheit dieses Gottes das ist, was diese Welt verdirbt. Selbst wenn es gelänge die humanistische Utopie von der falschen heilen Welt zu verwirklichen: Eine Weltregierung, Frieden, Wohlstand, Demokratie, Kranken- und Sozialversicherung und Menschenrechte für alle. Die Welt wäre nicht wirklich ein besserer Ort. Denn all diese gut gemeinten Bemühungen um ein besseres Zusammenleben sind doch nur ein Herumdoktern an Symptomen einer unheilbaren Krankheit. Die Menschen werden dadurch nicht wirklich besser, dass man ihnen beibringt, sich auf diese und jene äußerlich korrekte Art zu verhalten. In den politischen Visionen von einer besseren Welt kommt die Seele nicht vor. Das macht sie allesamt unbrauchbar. Die Wurzel allen Übels, das Böse, das in den Seelen nistet, ist unausrottbar. Alles schlechte was passiert hat ein und dieselbe Ursache: die Feindschaft zwischen Welt und Gott. Doch das Spiel lässt sich auch anders herum treiben. Den religiösen Fanatiker, ein Menschentypus, der zumindest in unseren Breiten selten geworden ist, widert die Vorstellung einer heilen Welt an, weil er die Welt hasst. Gutes kann es nach seiner Auffassung überhaupt nur im immateriellen Reich des Geistes geben. Der Weg zu Gott gleicht für ihn einem Kampf gegen die Welt und die eigene irdische Natur. Solchen Menschen erscheint dann auch dasjenige als Sünde, was die Welt an Schönem zu bieten hat, denn: nur an geistigen Gütern darf der Tugendhafte sich erfreuen.
Ich glaube dass beide, der atheistische Humanist und der religiöse Fanatiker auf ihre Weise entsetzlich leiden müssen, denn ihre Weltanschauungen sind wider die Natur. Sie ignorieren den Umstand, dass der Mensch als Brücke zwischen Welt und Gott notwendig auf beides angewiesen ist zu seinem Glück. Alle anderen unter den unglücklichen Menschen (das sind die meisten) liegen irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Allen gemein ist das Missverhältnis, in dem in ihrem Leben weltliche und geistliche Güter zueinander stehen. Sie alle sind damit Opfer der Feindschaft zwischen Welt und Gott. 
Der größte Traum der je geträumt worden ist, ist nun aber der von der heiligen Welt. Eine Welt im Frieden mit Gott. Eine Welt die gut ist, weil sie so ist, wie Gott sie gewollt hat. Jede alltägliche Handlung gesättigt mit Sinn, jedes Wort mit Bedeutung - und sei es nur ein Gruß. Die Seele wohnt gerne in ihrem Körper, trachtet nicht länger danach ihn zu verlassen. Ebenso ist der Körper ein williges Gefäß der Seele, das nicht länger danach trachtet, sie zu unterjochen. Das wäre das Ende aller Kämpfe. Denn noch bevor der erste Schuss gefallen ist und auch da wo gar keine Schüsse fallen herrscht unentwegt Krieg. Krieg in jedem Einzelnen, zwischen seiner irdischen und seiner geistigen Natur. Zwischen Körper und Seele und Seele und Geist und Geist und Körper. Wir sind innerlich zerrissene Geschöpfe, uneins mit uns selbst. Alles was in der Welt dann so schief läuft ist doch nur äußerliche Folge der Schlachten, die im Herzen jedes Einzelnen toben.
Das ist mein Weihnachtswunsch: Der Weltfriede. Nicht ein blöder politischer Friede, der auch dadurch herzustellen wäre, dass man sämtliche Geschöpfe durch kastrierte Stallhasen ersetzte. Sondern Friede zwischen den Menschen und Gott.

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