Freitag, 27. November 2015

200 Jahre Befreiungskriege

Hier das Manuskript einer Rede, die ich heute im Rahmen eines Rethorikseminars gehalten habe. Thema sind die Befreiungskriege:

Als sich am Vormittag des 18. Junis 1815 72000 Franzosen und 115000 Deutsche und Engländer in der Nähe des Dorfes Waterloo gegenüber standen, war dies der Auftakt zum Schlussakt eines Dramas, das bis zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre lang den Kontinent erschüttert hatte. Das alte Europa, ja vielleicht die Welt sollte danach für immer eine andere werden. Die Rede ist von der französischen Revolution und den sich anschließenden Koalitions- und Befreiungskriegen, welche schließlich den Weg bereiten sollten für die Gründung des modernen deutschen Staates. Es ist dies ein Drama von Fahnentreue und Verrat, von Tapferkeit und Feigheit, von strahlender menschlicher Größe und unsagbarer Niedertracht.

Wenn sich, wie in diesem Jahre ein epochales Ereignis zum 200. male jährt, dann bietet dies einen willkommen Anlass, Rückschau zu halten und sich sodann zu fragen, wo man selbst sich in der Geschichte eigentlich befindet. Denn die Geschichte ist nicht bloße Vergangenheit, hat vielmehr niemals aufgehört voran zu schreiten. Sie ist das große Ganze der zeitlichen Ordnung und wer sie als bloße Bücherwissenschaft abtut, der nimmt sich selbst unzulässiger Weise aus den großen Zusammenhängen heraus, in die er gestellt ist und zieht ihnen den Stillstand der bloßen Selbstbezogenheit vor. "Was hat das denn mit mir zu tun?" fragst du dich und offenbarst damit, dass du nichts verstanden hast. Denn nichts von all dem, das heute unsere Lebenswelt ausmacht und das wir nur allzu schnell als selbstverständlich hinzunehmen belieben wäre heute so, wie es ist, wenn die Geschichte nicht so verlaufen wäre, wie sie ist.

Betrachten wir also zunächst die Ausgangslage jenes großen Dramas, welches sich in der Person eines Napoleon Bonaparte verkörpert, wie der Zweite Weltkrieg in der des allseits beliebtem Männleins mit dem Schnauzer. Seit dem Ende des 30jährigen Krieges war Europa im Absolutismus erstarrt, welcher ab der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts starke Züge von Auflösung und Dekadenz anzunehmen begann. Der größte Verlierer der Religionskriege war das Heilige Römische Reich gewesen, das in der Folge endgültig zu einem völlig unregierbaren, politisch handlungsunfähigen bürokratischem Moloch verkommen sollte. Die selbstsüchtigen, ständig untereinander zerstrittenen Territorialfürsten hatten sich schließlich gegen die schwache Zentralgewalt durchgesetzt und verbündeten sich nach Belieben mit ausländischen Herrschern, welche die Schwäche des Reiches systematisch zu ihrem Vorteil ausnutzten. Leidtragender war das deutsche Volk, das nicht nur den Launen seiner Landesherren, sondern immer wieder auch feindlichen Invasionen ausgesetzt war, vor allem von Frankreich aus, denen die korrupte deutsche Aristokratie, hinreichend beschäftigt mit internem Zwist, einen ernsthaften Widerstand entgegen zu setzen weder fähig noch willens war. So wie es auch heute jeder noch tut, der sich von der Geschichte nicht betroffen fühlt, hatten die Deutschen sich selbst aus dem großen Zusammenhang heraus genommen und für sich den Weg des passiven Duldens gewählt. 

Doch das Schicksal gestattet keinen Stillstand und ließ also ab dem Jahre 1789 mit großer Macht die Franzosen, ein stolzes, aber verblendetes Volk in dieses deutsche politische Vakuum hinein stoßen. Welch ein Bild des Jammers muss das Heilige Römische Reich, nach Russland zweitgrößter Staat des Kontinents in dem folgenden Jahren des Krieges geboten haben, als es von einem zusammen gewürfelten Haufen französischer Revoluzzer überrannt und schließlich in die Knie gezwungen wurde! Wie groß war doch die Zahl der Verräter, die sich sogleich Trikoloren ansteckten und die Besatzer fröhlich willkommen hießen! Wie feige handelten doch die opportunistischen Fürsten, als sie im Handumdrehen kapitulierten und sich Napoleon, dem selbsternannten Herrscher Europas als Vasallen andienten, um nur ja ihre Pfründe zu sichern! 

Doch wofür stand dieser Napoleon nun, was war es für eine Ordnung, die er über den Leichenbergen errichtete? Es war der Prototyp der seelenlosen, sozialistischen, materialistischen Weltdiktatur. In einem Jahre währenden beispiellosen Blutrausch hatten die Franzosen es bewerkstelligt, ihre eigene ehrwürdige, jahrhundertealte Kultur vollständig zu vernichten und durch eine blasphemische Utopie zu ersetzen. Anders als die Deutschen hatten sie die Wurzeln ihrer Identität nicht einfach durch Indifferenz preisgegeben, sondern sie unter dem Fallbeil der Giullotine gekappt und unter dem tierischen Gegröle des rasenden Mobs alles, was jemals groß an Frankreich gewesen zu Grabe getragen. Sie schrien "vive la france!" und nannten sich selbst die "grande nation", doch hatte das, was sie mit france und nation bezeichneten nichts mehr gemein mit dem wahren, historisch gewachsenen Frankreich, war vielmehr ein bloßes Kunstgebilde, entstanden durch enthemmten Terror und das Betreiben einer mit mechanischer Präzision arbeitenden inhumanen Bürokratie. Ihr neuer, moderner Staat, nach dessen Modell sie mit wütendem Fanatismus ganz Europa umzuwälzen versuchten gründete sich nicht mehr auf Glauben und Tradition, sondern auf irgendwelche diffusen, letztlich frei erfundenen, universalen Werte, die von den Hirnen überzüchteter Intellektueller halluziniert und durch die Freimaurerlogen unters Volk gestreut wurden. Ein atheistisches, technokratisches Weltreich wollten sie schaffen, auf den Trümmern des alten Europa. Und das geschah nur folgerichtig, denn auf dem Höhepunkt seiner Macht ist der gottlose Republikanismus noch immer in Größenwahn und Diktatur umgeschlagen. Sie schreien Freiheit und bringen die Knechtschaft. Sie dröhnen Gleichheit und berauben uns unserer Identität. Sie geifern Brüderlichkeit und zerreißen die Bande von Familie, Volk und Religion. 

Und wer trat nun an, um diesem ganzen Irrsinn ein Ende zu machen? War es der preußische König, war es Metternich in Wien, waren es die Generäle Wellesley und Blücher, die Europa von dem Joch des Tyrannen befreiten? Das Deutsche Volk selbst war es, das, einmal zu oft von den Franzosen im Schlafe überrumpelt endlich erwachte und sich den Unterdrückern mutig entgegenwarf. Denn bevor es überhaupt erst zu einem Waterloo kommen konnte, oder zu einer Völkerschlacht bei Leipzig, da war es zum ersten male geschehen in der langen, leidvollen Geschichte unseres Volkes, dass der Deutsche selbst zu den Waffen griff, nicht im Solde irgendwelcher Fürsten, nicht im Dienste irgendeiner Republik. Nein! Einzig und allein fürs heilige Vaterland setzten die Männer aller Stände und Klassen, die sich den patriotischen Freikorps anschlossen ihr Leben aufs Spiel. Dieser erste deutsche Volksaufstand der Geschichte, der Helden wie einen Andreas Hofer, oder die legendären Lützower Jäger hervorbrachte gab erst die Initialzündung zum finalen Kampfe gegen den Welttyrannen, dem sich die Fürstenhäuser erst zögerlich, dann nach und nach anschlossen.

Die Adeligen mögen den deutschen Freiheitskampf zum Siege geführt haben, doch sie waren es auch, die ihn verrieten. Noch bevor die letzte Schlacht bei Waterloo geschlagen war, stellten sie auf dem Wiener Kongress sicher, dass der Traum der jungen deutschen Patrioten von einem geeinten deutschen Nationalstaat, wie ihn etwa die Gründer der Jenaer Urburschenschaft um Ernst Moritz Arndt formuliert hatten vorerst nicht in Erfüllung gehen würde. Es sollten noch einmal rund 60 Jahre vergehen, bis die Ideen von 1815 mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches Wirklichkeit werden sollten




2 Kommentare:

  1. War aber es aber nicht auch Napoleon der die Wirren der fr.Revolution beendete,der wieder den gregorianischen Kalender einführte,statt dem revolutionären, welcher den Menschen wieder die Religionsfreiheit wieder gab? Den Franzosen einen Nationalstolz,uns im Rheinland den code Napoleon?
    Den Deutschen einen Grund sich zu einen,auch wenn es noch eine Weile dauerte.
    Ist das deutsche Reich nicht letztendlich eine Folge der Befreiungskriege?
    Ja wir haben in der Pfalz einen hohen Blutzoll für die großen Pläne des kleinen Kaisers bezahlt,aber haben wir nicht auch viel für die anderen Feudalherren gegeben ohne entsprechend bekommen zu haben?



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    1. Jeder Diktator trifft auch vernünftige Entscheidungen. Dies tut er jedoch nicht zum Wohle des Volkes, sondern weil die Interessen desselben partiell mit seinem (nämlich dem an der Macht) zusammenfallen. Ein Staat mit funktionierender Verwaltung, in dem kein Bürgerkrieg herrscht lässt sich nun einmal besser ausbeuten. Wenn ich so heftig gegen Napoleon rede, dann nicht, weil er nicht auch (zumindest indirekt) Gutes bewirkt haben könnte, sondern weil ich das strikt ablehne, wofür er steht: Für den seelenlosen, Weltstaat, der keine Völker und keinen Glauben kennt, sondern als reiner Selbstzweck begriffen werden kann. Napoleon hat zwar die revolution beendet, doch war er kein Konterrevolutionär. Er hat dem Gedankengut der Revolution erst die Gestalt funktionalen Staates gegeben. Und dieses Gedankengut lehne ich ab. Er selbst hat freilich gar nicht wirklich an Freiheit, Gleichheit usw. geglaubt, aber diese vermeintlichen Werte als hervorragendes Mittel zu dem Zweck der Errichtung eines Imperiums erkannt. Und hier sehe ich die Analogie zu unserer heutigen Zeit. Im Namen derselben hohlen Ideale nimmt man den Völkern das Selbstbestimmungsrecht, presst ihnen absurde Summen an Steuern ab und arbeitet damit an der Errichtung eines neuen übernationalen Imperiums. Wo alle gleich sind, da sind alle Untertanen, wo alle frei sind, da ist keiner frei.
      Worin ich dir vollkommen recht gebe, ist dass es die Revolution insofern gebraucht hat, um die Deutschen durch ein neues Übel von aussen wachzurütteln. Dass man der alten Fürstenherrlichkeit ein Ende gemacht hat, ist zu begrüßen. Jedoch hat es anstelle des Feudalismus einer wahrhaft deutschen Demokratie bedurft und keiner französischen Republik.

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